Sucht-Experte klärt auf

"Gefährlich sind Games, Pornos und Social Media"

Viele Leute haben einen problematischen Medienkonsum. Wann man von einer Sucht spricht, verrät Psychotherapeut Franz Eidenbenz im Interview.

20 Minuten
"Gefährlich sind Games, Pornos und Social Media"
Viele Kinder und Jugendliche weisen einen problematischen Medienkonsum auf.
Getty Images

Franz Eidenbenz ist Psychologe und Psychotherapeut. Seit über 20 Jahren befasst er sich mit dem Thema Internetsucht, baute das Zentrum für Spielsucht und andere Verhaltenssüchte Radix in Zürich auf und ist nun in privater Praxis tätig.

Herr Eidenbenz, was ist Internetsucht?

Von Internetsucht oder internetbezogener Störung, wie es im Fachjargon heißt, spricht man dann, wenn folgende drei Kriterien erfüllt sind: Erstens hat die Person die Kontrolle über den Konsum von digitalen Inhalten verloren. Sie verbringt mehr Zeit als beabsichtigt vor dem Bildschirm und schafft es kaum mehr, rechtzeitig abzustellen. Zweitens wirkt sich ihr Medienkonsum negativ auf andere Lebensbereiche aus. Familie, Freunde, Schule oder Arbeit und andere Interessen werden vernachlässigt. Und drittens konsumiert sie zunehmend oder in gleichem Maße, auch wenn sich bereits offensichtlich negative Konsequenzen zeigen.

Familie, Freunde, Schule oder Arbeit und andere Interessen werden vernachlässigt.
Franz Eidenbenz
Psychologe und Psychotherapeut

Wonach sind die Betroffenen genau süchtig?

Suchtphänomene treten vor allem im Zusammenhang mit den sozialen Medien, Computerspielen und Pornos auf. Besonders Computerspiele und die sozialen Medien sind durch riesige Datenmengen so optimiert, dass Belohnungsmechanismen ausgelöst werden und es schwierig ist, die Kontrolle über den eigenen Konsum zu behalten.

Wie hat sich das Problem in den letzten Jahren verändert?

Der Konsum digitaler Inhalte nimmt laufend zu, gerade durch die niederschwellige Verfügbarkeit über das Smartphone. Insbesondere während der Corona-Zeit hat er zugenommen. Ob die Abhängigkeit dadurch zugenommen hat, ist noch nicht definitiv nachgewiesen, es gibt jedoch bereits erste Studien, die darauf hindeuten.

Franz Eidenbenz ist Psychologe und Psychotherapeut. Er befasst sich seit über 20 Jahren mit Internetsucht und hat auch ein Buch dazu veröffentlicht.
Franz Eidenbenz ist Psychologe und Psychotherapeut. Er befasst sich seit über 20 Jahren mit Internetsucht und hat auch ein Buch dazu veröffentlicht.
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Wer ist besonders betroffen?

Von Internetsucht betroffen sind vor allem Kinder und Jugendliche, da sie aufgrund der Hirnentwicklung den Konsum schlechter kontrollieren und die Folgen des Konsums weniger gut abschätzen können. Gemäß Studien aus der Schweiz besteht bei 7,4 Prozent der 15- bis 19-Jährigen eine solche Sucht, 19 Prozent weisen einen problematischen Konsum auf und gelten als gefährdet. Unter den Erwachsenen ist ein Prozent internetsüchtig. 4,3 Prozent konsumieren problematisch.

Sind die Maßnahmen des Bundes zur Bekämpfung von Internetsucht ausreichend?

Aufgrund der rasanten Entwicklung erachte ich die gegenwärtigen Maßnahmen als ungenügend. Es gibt zwar eine nationale Expertengruppe, der ich auch angehöre, die regelmäßig Bericht erstattet, aber es braucht dringend zusätzliche Studien, zum Beispiel auch im Pornobereich, die den Stand der Problematik wissenschaftlich erfassen. Zusätzliche präventive Maßnahmen wären nötig, um den gesunden Umgang mit Medien in der Bevölkerung zu fördern. Zudem fordern Suchtfachexperten seit langem Warnungen bei risikoreichen digitalen Angeboten, wie man sie bei Zigaretten und Alkohol kennt.

Wie erkenne ich rechtzeitig, ob mein eigener Medienkonsum problematisch ist?

Viele Smartphones bieten die Möglichkeit, die Nutzungszeit der einzelnen Apps einzusehen. Ein Blick darauf verrät, wo zeitfressende Konsumanteile vorhanden sind, und kann so helfen, Suchtrisiken zu erkennen. Im nächsten Schritt sollte man versuchen, diese Aktivitäten einzuschränken und darauf zu achten, dass der Medienkonsum und die analogen Freizeitaktivitäten im Gleichgewicht bleiben. Allerdings geht es nicht um den Zeitfaktor allein, sondern vielmehr darum, ob andere Lebensbereiche wie Offline-Freizeitaktivitäten, Beziehungen und die Schule oder Arbeit unter dem Medienkonsum leiden.

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