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Wie im Märchen! Steuer-Berater glänzt als Torjäger

Letztes Jahr stürmte er noch in der vierten Liga, jetzt trifft er für Hannover. Hendrik Weydandt sorgt in der Bundesliga für Verblüffung.

Heute Redaktion
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Er wollte Steuerberater werden. Doch jetzt glänzt Hendrik Weydandt (l.) als Torschütze in der deutschen Bundesliga.
Er wollte Steuerberater werden. Doch jetzt glänzt Hendrik Weydandt (l.) als Torschütze in der deutschen Bundesliga.
Bild: imago sportfotodienst

Der Laufweg ist perfekt, nach einem Ballkontakt folgt der überlegte und präzise Abschluss durch die Beine des gegnerischen Torhüters. Noch während der Ball ins Netz rollt, vergewissert sich Hendrik Weydandt mit einem Blick zum Linienrichter, ob er wirklich nicht im Abseits stand. Danach jubelt er nicht ausgelassen, sondern schaut etwas ungläubig. Vielleicht kann er es selbst nicht ganz fassen, was in den letzten Wochen passiert ist.

Letzte Saison spielte der 23-Jährige in der vierthöchsten Spielklasse bei Germania Egestorf/Langreder. Am Wochenende hat er bei seinem Bundesliga-Debüt eine Minute nach seiner Einwechslung sein Team Hannover 96 in Führung geschossen.

Das Erstrundenspiel zwischen Werder Bremen und Hannover endete nach Theodor Gebre Selassies Ausgleichtreffer 1:1, aber das interessierte nach Spielschluss niemanden mehr. "Eine Wahnsinns-Geschichte", kommentierte Weydandts Trainer André Breitenreiter dessen Entwicklung. "Er hat sich das aber auch hart erarbeitet, das ist kein Zufall." Clubmanager Horst Heldt nannte es "verrückt, es ist ein Märchen. Das ist das, was den Fußball ausmacht." Nur Weydandt selbst schwieg, gab nach dem Spiel keine Interviews. Social-Media-Aktivitäten? Ebenfalls Fehlanzeige. Nur für seinen ehemaligen Verein Germania Egestorf/Langreder ist es ärgerlich, dass "Henne" ablösefrei zu Hannover wechselte.

Bis Mai spielte das Sturm-Monster (1,95 m) noch für 400 Euro pro Monat in der 4. Liga. Vor dem Dortmund-Spiel am Freitag soll Weydandt bis 2020 unterschreiben. Zukünftig verdient er rund 15 000 Euro pro Monat – also das 37-fache.

Lobeshymnen von allen Seiten

Weydandts Aufstieg ist kometenhaft. Vor vier Jahren spielte er Amateurfußball in der Kreisliga Hannover-Land beim TSV Groß Munzel und wurde Torschützenkönig. Danach wechselte er zu Egestorf/Langreder, wo er in der fünften und vierten Liga spielte, bevor er in der Sommerpause von Hannover verpflichtet wurde – eigentlich für die zweite Mannschaft. Breitenreiter aber ließ Weydandt in der Saisonvorbereitung mit der Profimannschaft mittrainieren. Der Trainer wollte "mal schauen, ob er auch bei uns seine Torjäger-Qualitäten zeigen kann."

Weydandt traf acht Mal in den Vorbereitungsspielen. In der ersten Runde im DFB-Pokal wurde der Stürmer in der 81. Minute eingewechselt und erzielte innerhalb von neun Minuten zwei Tore. Seine Zwischenbilanz im Profifußball: Zwei Spiele, drei Torschüsse, drei Treffer.

96-Präsident Martin Kind sagt über die Entdeckung des ersten Spieltages: "Er ist sehr sympathisch, aber auch sehr selbstbewusst." Nun wird Weydandt nächste Woche erstmals einen Profivertrag unterschreiben. "Das hat er sich verdient", so Kind. Ausgehandelt hat den Vertrag Weydandts Vater, der seinen Sohn berät. Dessen Beruf ist Steuerberater. Das ursprüngliche Ziel von Hendrik Weydandt, die Steuerberatungs-Kanzlei des Vaters zu übernehmen, muss noch ein wenig warten.

(Heute Sport)