Ex-Botschafter Martin Weiss
Für Trump-Fans "zählt nicht ein rationales Bild"
Im Herbst wird in den USA der nächste Präsident gewählt. Die Entscheidung fällt zwischen zwei alten Bekannten: Trump gegen Biden.
Donald Trumps Herausforderin Nikki Haley wirft in den Republikaner-Vorwahlen den Hut. Der inzwischen 77-jährige Ex-Präsident hat damit das Rennen für sich entschieden, wird im Herbst voraussichtlich gegen seinen Nachfolger Joe Biden (81, Demokraten) antreten. Beide würden als ihre zweite Amtszeit als älteste US-Präsidenten aller Zeiten antreten – und damit die von ihnen selbst zuvor aufgestellten Rekorde brechen.
Was bedeutet eine neue Kandidatur Donald Trumps für die Vereinigten Staaten und die Welt? In der ZIB2 Mittwochnacht war dazu Martin Weiss, US-Experte und ehemalige Botschafter Österreichs in den Washington, bei Armin Wolf zu Gast.
MAGA: ein "unerschütterlicher Fanklub"
Der frühere Diplomat erwartet ein spannendes Duell, das wohl kein Amerikaner haben wollte. Auf der einen Seite Donald Trump, der trotz aller Kritik und laufender Prozesse auf dem Rücken eines "unerschütterlichen Fanklubs" erneut zum Spitzenkandidat der Republikaner avanciert ist. Bei seinen MAGA-Anhängern "zählt nicht ein rationales Bild", weiß Weiss.
Auf der anderen Seite ein Joe Biden, der aktuell in den Umfragen schwächelt, obwohl die Wirtschaft brummt. Eigentlich ein massiver Startvorteil für einen amtierenden Präsidenten, doch die Altersdebatte setzt ihm zu: "Keiner glaubt, dass das die Leistung von Biden ist. Der ist zu alt, das traut ihm keiner zu."
Doch für aussagekräftige Umfragen sei es aktuell noch zu früh, sagt der Experte. Der typische Amerikaner würde sich erst sehr viel kürzer vor dem Urnengang wirklich für den Wahlkampf interessieren.
Biden für Demokraten alternativlos
Und was wär mit einem Königswechsel bei den Demokraten? Könnte Biden zurückziehen? Möglich wäre das, gilt aktuell aber als unwahrscheinlich. "Wenn man Interviews mit Joe Biden liest, dann liest man ein Interview mit einem Mann, der überzeugt ist, Donald Trump besiegen zu können." Ein von der Partei angeordneter Rückzieher sei "nicht denkbar", es gebe niemanden, der dem Präsidenten bei dieser Entscheidung vorgreifen würde.
Ein anderer Kandidat hätte nach Einschätzung des früheren Botschafters auch gar nicht die Chancen. "Jemand der einmal Präsident war, spielt in einer ganz anderen Liga als Kandidaten". Jeder Gouverneur, Senator, den die Demokraten aufstellen könnten, wäre damit automatisch in der Wählergunst eine Stufe unter Trump. "Das ist nicht so toll."
Dass Trump vielleicht noch über die Justiz stolpern könnte, hält Weiss ebenso für unwahrscheinlich. "Es sieht nicht so aus, als könnte da etwas Donald Trump stoppen, selbst bei einer Verurteilung. Sein Fanklub würde sagen: 'Sie sind gegen ihn, weil er für euch ist'". Das kennt man schon aus Österreich, wo auch eine große Partei diese Zeile selbst immer und immer wieder bemüht.
Wenige Tausende Stimmen entscheiden
Am Ende werde es aber ein knappes Rennen, das wohl wie beim letzten Mal von wenigen Tausenden Stimmen in nur sechs Staaten – bei den anderen 44 sei der Ausgang im vorhinein schon absehbar – entschieden werde.
Da könnte auch der dritte, unabhängige Kandidat sowohl Biden als auch Trump einen Strich durch die Rechnung machen. Obwohl Kennedy-Neffe Robert F. Kennedy Jr. (69), der ebenfalls mit wilden Verschwörungstheorien auffällt, keine Chance auf einen Einzug ins Weiße Haus hat, könnte er der "Spoiler" sein, der wichtige Stimmen abziehe. "Das kann jeden Unterschied der Welt machen", so Weiss.
Demokratie nicht abgeschafft
Ob Sieg oder Niederlage Donald Trumps: Auf die USA bzw. auch Europa komme einiges zu. Die amerikanische Demokratie als solche sieht der Österreicher nicht in Gefahr: "Das System hält, auch wenn Trump ein zweites Mal Präsident wird." Es werde keine einfache Zeit für Europa, aber die Demokratie würde in den USA vermutlich nicht abgeschafft.
Und wenn Trump gegen Biden abbeißt? Dann werde er wohl auch dieses Mal nicht die Niederlage akzeptieren und weiter seine Anhänger mit Verschwörungsthesen von gestohlenen Wahl-Sieg(en) anstacheln. Eine Wiederholung des dramatischen Kapitol-Sturms fürchtet Weiss zumindest nicht. Darauf seien Behörden dieses Mal wohl vorbereitet.