Nach Medikamenten-Studie
Frau laut Arzt "krebsfrei", 6 Monate später war sie tot
Eine Wienerin nahm 2021 an einer Medikamenten-Studie für Brustkrebs teil, galt im Juni 2022 als "geheilt". Im heurigen Jänner starb die 31-Jährige.
Die Hoffnung war groß, doch letztendlich siegte der Brustkrebs: Larissa N. (Name geändert) starb heuer am 7. Jänner im Alter von nur 31 Jahren. Die Mutter der Wienerin hat nun das AKH (gehört zum Wiener Gesundheitsverund, Anm.) bzw. die Stadt Wien als dessen Betreiber am Landesgericht für Zivilrechtssachen auf 17.000 Euro Trauerschaden verklagt. Denn die Jung-Mama hatte dort auf Anraten eines renommierten Brustkrebs-Spezialisten an einer Medikamenten-Studie teilgenommen, die angeblich zur Genesung geführt hatte.
Die Mutter der Verstorbenen, Anna N. (Name geändert), wirft dem Mediziner die grob fahrlässige Herbeiführung des Todes ihrer Tochter vor. Die Beratung im Zusammenhang mit der Studie sowie die Betreuung im Krankenhaus sollen demnach nicht "lege artis" (nach den Regeln der ärztlichen Kunst, Anm.) erfolgt sein, heißt es in der Klage.
Arzt überzeugte sie, an Studie teilzunehmen
Larissa N. litt an dreifach (triple) negativem Brustkrebs – eine Tumorart, die vor allem bei jüngeren Patientinnen vorkommt und durch aggressives Wachstum, ein hohes Risiko der Metastasen-Bildung sowie oftmals einer schlechteren Prognose gekennzeichnet ist. Der Brustkrebs-Spezialist, von dem die Wienerin überwiegend behandelt wurde, überredete sie für die präoperative Behandlung zur Teilnahme an einer Phase-II-Studie mit Carboplatin (wird intravenös im Krankenhaus verabreicht) und Olaparib (wird in Tabletten-Form zu Hause eingenommen).
"Meine Mandanten haben mich dahingehend informiert, dass das AKH ihrer Tochter die Teilnahme an der Studie als wirksamste und nebenwirkungsärmste aller denkbaren Behandlungsmethoden angepriesen hätte. Der – leider verstorbenen – Tochter sei eine engmaschige Wirksamkeit der Behandlungsmethode zugesagt worden", erklärt Top-Anwalt Johannes Bügler, der Anna N. vertritt. Zudem soll Larissa N. nicht ausreichend über die Risiken der Studie aufgeklärt worden sein.
So soll der Arzt der jungen Frau zugesichert haben, dass die Studie abgebrochen werde, sobald sich ihr Zustand verschlechtere. Im September 2021 begann Larissa N. mit der Behandlung, bereits nach dem zweiten Zyklus musste sie allerdings das Carboplatin einen Monat lang aussetzen, da ihre Leukozyten-Werte (verteidigen den Körper gegen Infektionserreger, Anm.) massiv nach unten sanken.
Nach OP galt Larissa als "krebsfrei"
Dennoch riet der Experte seiner Patientin, die Studie nicht abzubrechen. Als sich die Leukozyten-Werte wieder stabilisierten, wurde der dritte Zyklus der Therapie gestartet. Dennoch wurde im April 2022 bei einer Untersuchung festgestellt, dass der Tumor weiter wuchs, die Teilnahme an der Studie aber fortgesetzt.
Im Juni 2022 musste die Jung-Mama schließlich operiert werden – laut Aussage des Brustkrebs-Spezialisten wurde der Tumor dabei zur Gänze entfernt, Larissa N. sei "krebsfrei" und keine zeitnahen Untersuchungen erforderlich. Die Familie freute sich riesig über diese Nachricht und feierte dies auch dementsprechend.
„Fakt ist, dass die Patientin verstorben ist und dieser sogar während der Teilnahme der Studie mitgeteilt wurde, dass sie vollkommen geheilt wäre“
Doch die Freude währte leider nicht lange: Im September 2022 erkrankte Larissa N. an Corona, der Hausarzt ordnete mehrere Untersuchungen an. Dabei stellte sich heraus, dass der Krebs in weiten Teilen ihres Körpers gestreut hatte. Für eine Standard-Chemotherapie war es zu spät. Die Wienerin verstarb rund drei Monate später.
"Fakt ist, dass die Patientin verstorben ist und dieser sogar während der Teilnahme der Studie mitgeteilt wurde, dass sie vollkommen geheilt wäre. Dies ist natürlich für die gesamte Familie der Verstorbenen unendlich traurig. Im Rahmen des Verfahrens wird unter anderem unter Zuhilfenahme gerichtlich bestellter medizinischer Sachverständiger festgestellt werden, was im Rahmen der Brustkrebs-Studie so falsch laufen konnte, dass die Probandin verstorben ist", meint Jurist Bügler.
Anna N. fordert daher von der Stadt Wien 17.000 Euro Trauerschaden: Frau N. hatte zu ihrer Tochter ein sehr nahes Verhältnis, sah sie sogar täglich, weil sie nebenan wohnte. Der plötzliche Tod habe sie derart erschüttert, dass ihr schwerwiegende psychische Schäden entstanden sind, heißt es in der Klage. Den AKH-Mitarbeitern hätte auffallen müssen, dass der Tumor streut bzw. dass es dieses Risiko gibt. Zudem hätten weitere Untersuchungen vorgesehen werden müssen.
Auf "Heute"-Nachfrage beim AKH wird "das Ableben der jungen Frau sehr bedauert. Es ist allerdings als schicksalhaft zu bezeichnen." In der ausführlichen Stellungnahme durch die Direktionen und der betroffenen Klinik wird erklärt: "Leider handelte es sich bei dem bei der Patientin diagnostizierten Tumor um eine besonders bösartige Krebsvariante, und die Chancen eines in der Folge auftretenden Rezidives oder einer Metastasierung sind bei jungen Frauen, die an diesem sehr aggressiven Tumor leiden, bedauerlicherweise sehr hoch."
„Die Betreuung ist 'lege artis' erfolgt, die Patientin wurde sehr ausführlich aufgeklärt und hat dies mit Unterschrift bestätigt“
"Das Medikament, das die Patientin in Kombination mit einer bei dieser Krebsform besonders wirksamen klassischen Chemotherapie erhalten hat, ist gerade beim fortgeschrittenen Brustkrebs einer alleinigen konventionellen Chemotherapie sowohl hinsichtlich Wirksamkeit als auch hinsichtlich Verträglichkeit deutlich überlegen. Die Betreuung ist demnach 'lege artis' erfolgt, die Patientin wurde sehr ausführlich aufgeklärt und hat dies mit Unterschrift bestätigt", heißt es weiter.
Zudem sei die Patientin im Rahmen einer klinischen Studie u.a. mit einem Medikament behandelt worden, das nachweislich eine Befundverbesserung gezeigt habe: "Der Tumor konnte daher operativ komplett entfernt werden. Wenn die nach der Diagnose routinemäßig durchgeführte Durchuntersuchung – so wie im gegenständlichen Fall – keinen Hinweis auf das Vorliegen einer Metastasierung ergibt, spricht man von 'Krankheitsfreiheit'", wird seitens des AKH betont.