Seltenes Antigen
Forscher finden eine vollkommen neue Blutgruppe
Ein seltenes Antigen stellte Forschende rund 50 Jahre vor ein Rätsel. Nun wurde es gelöst – und die Welt kennt eine Blutgruppe mehr als bisher.
Blut wird anhand mehrerer Faktoren, wie der vier Blutgruppen A, B, AB und 0 sowie des Rhesusfaktors, eingeordnet. Letzterer bezeichnet ein Eiweiß, das sich auf der Oberfläche der roten Blutkörperchen befindet. Ist dieses auch Antigen genannte Eiweiß vorhanden, spricht man von Rhesus-positivem Blut. Fehlt es, ist das Blut Rhesus-negativ. Diese Zuordnung ist wichtig, wenn es um Blutspenden geht (siehe Box). Insgesamt gibt es über 40 verschiedene Blutgruppensysteme, von denen die meisten jedoch keine Bedeutung für den medizinischen Alltag haben.
Relevant sind vor allem acht Blutgruppen: A+, A-, B+, B-, AB+, AB-, 0+ und 0-. Britische Forschende haben nun eine neue, wichtige Blutgruppe nachgewiesen: MAL.
Nicht jeder kann jedem Blut spenden
Bei Blutspenden muss das Blut von Spender und Empfänger kompatibel sein. Das heißt:
- Ein Mensch mit Blutgruppe A+ kann Blut an Menschen A+ und AB+ spenden. Er selbst verträgt Blut von Spendern mit den Blutgruppen 0+, 0-, A+ und A-.
- Hat jemand A-, kann er an A+, A-, AB+ und AB- spenden. Empfangen kann er Blut von A- und 0-.
- Wer B+ hat, kann an Menschen mit AB+ und B+ spenden. Er verträgt die Blutgruppen B+, B-, 0+ und 0-.
- Menschen mit B- können für Personen mit AB+, AB-, B+ und B- spenden. Sie können Spenden von B- und 0-Personen bekommen.
- Wer AB+ hat, kann nur an AB+ spenden. Dafür verträgt er aber alle anderen Blutgruppen.
- Bei AB- kommen nur Träger der Merkmale AB+ und AB- als Empfänger in Frage. Wer die Gruppe AB- besitzt, darf nur Blut von Rhesus-negativen Personen erhalten: AB-, A-, B- und 0-.
- Menschen mit 0+ können nur an AB+, A+, B+ und 0+ spenden. Sie selbst vertragen nur 0+ und 0-.
- Menschen mit 0- gelten als Universalspender. Sie können ihr Blut allen spenden. Sie selbst vertragen allerdings nur ihre eigene: 0-.
Neue Blutgruppe: Wie kam es dazu?
Der Fund geht auf eine Blutprobe einer Frau aus dem Jahr 1972 zurück. Bei ihr fehlte ein eigentlich weit verbreitetes Blutgruppen-Antigen: AnWj. Sie war also AnWj-negativ, wie Fachpersonen es nennen. Was dahinter steckte, war Forschenden weltweit bislang ein Rätsel. Denn bei mehr als 99,9 Prozent ist AnWj vorhanden. Sie sind AnWj-positiv.
Das Team von NHS Blood and Transplant des International Blood Group Reference Laboratory (IBGRL) in Bristol und der University of Bristol kam der Lösung nun mithilfe der sogenannten Exomsequenzierung auf die Spur. So nennen Fachleute die Sequenzierung aller eiweiß-kodierenden Bereiche von Genen in einem Genom – dem Exom. "Ohne diese Technik hätten wir das nicht geschafft, da das von uns identifizierte Gen kein offensichtlicher Kandidat war und über das MAL-Protein in roten Blutkörperchen nur wenig bekannt ist", so Louise Tilley, IBGRL-Senior-Forscherin.
Warum ist die Lösung des Rätsels so wichtig, wenn so wenig Menschen AnWj-negativ sind?
Für Menschen, die AnWj-negativ sind, kann eine Bluttransfusion mit der falschen Blutgruppe eine Transfusionsreaktion auslösen, heißt es in einer Mitteilung des NHS.
Eine solche kann verschiedene Symptome wie Schwindel, Ausschlag, Blutdruck- und Pulsveränderungen und Luftnot hervorrufen, aber auch zu Gerinnungsstörungen und Blutungen führen. Die Erkenntnisse sollen zu einem neuen Test führen, der es ermöglicht, Menschen mit dieser seltenen Blutgruppe zu identifizieren und passende Blutspender zu finden. Dies wird auch in Zukunft die Suche nach passenden Blutspendern erleichtern.
Die Studie wird im Fachjournal "Blood" der American Society of Hematology erscheinen.
Im Jahr 2022 ist es kanadischen Forschenden erstmals gelungen, den Bluttyp menschlicher Lungen zu verändern: von A zu 0. Das macht Organe für mehr Menschen passend.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Britische Forschende haben eine neue Blutgruppe namens MAL entdeckt, die auf einer Blutprobe aus dem Jahr 1972 basiert, bei der das weit verbreitete Antigen AnWj fehlte
- Diese Entdeckung ist besonders wichtig, da Menschen, die AnWj-negativ sind, bei Bluttransfusionen mit der falschen Blutgruppe schwere Transfusionsreaktionen erleiden können; die neuen Erkenntnisse sollen zu Tests führen, die es ermöglichen, diese seltene Blutgruppe zu identifizieren und passende Blutspender zu finden