Wr. Neustadt
Fernwärme-Irrsinn! Mieter zahlt jetzt 600 statt 200 €
Viele Bewohner der Stolzsiedlung in Wr. Neustadt sind verzagt: Denn die Vorschreibungen für Wasser und Heizung haben sich vervielfacht.
Wut und großteils Verzweiflung bei bis zu 220 Mietern und Bewohnern der Robert Stolz-Siedlung in Wr. Neustadt: Die neuen Vorschreibungen der Fernwärme (Anm.: aus Biomasseheizwerk "Civitas Nova") bzw. des Heizkostenverrechners stiegen teils signifikant an. Von den rund 220 Mietern haben bereits 80 bis 100 Bewohner Post erhalten, der Rest folgt diese Woche.
Plus 150 Prozent
Andreas S. (41) bewohnt eine 65 Quadratmeter-Wohnung, zahlte bisher für zwei Personen 70 Euro im Monat für Warmwasser und Heizung. Jetzt soll der Maschinist 175 Euro monatlich berappen. Eine Preissteigerung von immerhin 150 Prozent. Nur durch die günstige Miete in der Höhe von 568 Euro sei die Wohnung - inklusive rund 70 Euro Strom im Monat - leistbar: Nämlich rund 800 Euro im Monat.
"Mein Glück ist, dass ich nicht viel heizen muss, weil ich im 3. Stock in der Mitte des Wohnbaus wohne", berichtet Andreas S.
„Mein Glück ist, dass ich im dritten Stock wohne“
Schlimmer erwischte es indes Nachbar Hannes W.: Er zahlt jetzt für sein 68 Quadratmeter-Reich 243 Euro für Warmwasser und Heizung. Davor hatte die Fernwärme-Monats-Rate von Hannes W. jedoch nur 90 Euro ausgemacht.
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Noch übler habe es aber einen Nachbarn aus dem Erdgeschoss erwischt. Der Familienvater zahlt nun bei 120 Quadratmeter Wohnnutzfläche und vier Personen im Haushalt 450 statt 168 Euro für Fernwärme. Mit der eigentlich günstigen Miete von 850 Euro plus Strom kommt der Familienvater aber nun auf gut 1.400 Euro Warmmiete monatlich.
395 statt 158 Euro für Sonja P.
Weitere extreme Heiz-und Warmwasser-Opfer in der Stolzsiedlung: Sonja P. zahlt ab 1. November 395 statt 158 Euro im Monat, Judith L. 326 Euro statt 130 Euro im Monat. Eine junge Familie mit 100 Quadratmetern zahlt nun 600 statt 200 Euro im Monat. Nur für Warmwasser und Heizung sei betont, da ist Miete und Strom nicht dabei!
Heizkostengesetz: Das HeizKG gilt für die Aufteilung der Heiz- und Warmwasserkosten und Klimatisierungskosten in Gebäuden mit mindestens 4 Nutzungsobjekten, die
· durch eine gemeinsame Versorgungsanlage (auch Fernwärme und Fernkälte) versorgt werden und
· mit Messvorrichtungen zur Ermittlung der Verbrauchsanteile ausgestattet sind oder ausgestattet werden müssten.
Hintergrund: Die Abrechnungen und Vorschreibungen gehen über einen Heizkostenabrechner, der sozusagen zwischen Wärmeanbieter und Bewohner zwischengeschalten ist. Dies ist gesetzlich im Heizkostenabrechnungsgesetz (HeizKG geregelt) verankert und somit Pflicht. Der Dumme dabei: Immer der Mieter (Anm.: hat nicht mal ein ordentliches Recht auf Einsicht der exakten Kostenaufstellung) und auch der Eigentümer (hat zumindest Einsicht, kann aber dagegen nichts tun, Anm.). Denn die hohen Kosten sind schlichtweg unübersichtlich. Die Arbeiterkammer Wien kritisiert das HeizKG seit vielen, vielen Jahren.
Völlig undurchsichtig
Kritiker, wie eben die Arbeiterkammer, sehen das eigentlich recht relevante Gesetz als völlig undurchsichtig und nachteilig für Verbraucher - mehr dazu hier. So werden sogar Risikoausfallsspesen (!) verrechnet, es gibt auch keinen effektiven Schutz vor unangemessen hohen Kosten. Die Krux an der Sache: Die Heizkostenabrechnungs-Dienstleister haben eine Oligopolstellung und nutzen diese beinhart aus - der Verbraucher ist kurz gesagt lediglich der machtlose Bezahler. Leider hat die kürzliche Novelle des Gesetzes keine Verbesserungen gebracht (Anm.: Klima- und Kühlgeräte wurden ins Gesetz integriert, der große Wurf blieb aus - kurz gesagt).
Eine Anfrage vom Samstag an den deutschen Energiekosten-Abrechner wurde bis jetzt so beantwortet: "Bitte haben Sie Verständnis, dass aufgrund eines zurzeit hohen E-Mail Aufkommens, die Bearbeitung Ihres Anliegens ein wenig Zeit in Anspruch nehmen kann. Wir melden uns in Kürze bei Ihnen und verbleiben bis dahin mit freundlichen Grüßen."
"Finaler Todesstoß"
Vizebürgermeister Rainer Spenger (SP) fand dazu klare Worte: "In einer Zeit, wo es bei ganz vielen finanziell schon sehr eng wird, könnte das für manche der finale Todesstoß sein. Die Steigerungen sind intransparent, unmoralisch und in dieser Höhe nicht akzeptabel. Bevor jemand auf der Straße steht, kann ich mit dem Traude Dierdorf Sozialfonds helfen. Aber hier gehört rasch eine gesetzliche Regelung her!"