Wirtschaft
"Feigenblatt": Kritik an Zalando-Nachhaltigkeits-Filter
Eine neue Filterfunktion zeigt an, nach welchen nachhaltigen Kriterien ein Kleidungsstück produziert wurde. Doch Experten sehen dies kritisch.
Viele Leute möchten ein nachhaltiges Leben führen. Doch beim Shoppen vergessen sie diese Werte und achten nicht darauf, wie ihre neuen Kleider produziert wurden. Das hat etwa Zalando in einem eigenen Report festgestellt.
Um den Leuten das Kaufen von nachhaltiger Mode einfacher zu machen, hat Zalando nun im Onlineshop einen neuen Filter, mit dem das Modesortiment nach den nachhaltigen Kriterien gefiltert werden könne. "Wir möchten einen positiven Wandel in der Modebranche vorantreiben", sagte eine Sprecherin zum Schweizer Onlineportal "20 Minuten".
Nun kann das Angebot nach folgenden Kriterien gefiltert werden:
➤ "Reduzierte Emissionen"
➤ "Tierschutz"
➤ "Wasserschutz"
➤ "Wiederverwendung von Materialien"
➤ "Wohl der Arbeiterinnen"
So sieht man beispielsweise, ob recycelte Polyesterfasern oder nachhaltig angebaute Baumwolle für ein Kleidungsstück verwendet wurden.
Filtert man das gesamte Damenbekleidungssortiment nach dem Kriterium "Wohl der Arbeiterinnen", werden gut 560 Artikel von insgesamt 118.011 angezeigt. "Das ist weniger als 0,5 Prozent des Angebots", sagt David Hachfeld, Textilexperte bei Public Eye. Genaue Angaben, etwa zu den Löhnen den Näherinnen, würde man vergebens suchen.
Auf die Frage, nach welchen Kriterien ein Kleidungsstück produziert sein muss, damit es in die Kategorie "Wohl der Arbeiterinnen" fällt, sagt die Sprecherin: "Die Kriterien zur Kennzeichnung basieren auf unabhängigen Zertifizierungen und Informationen aus dem Higg Material Sustainability Index, dem derzeit umfassendsten Instrument der Modebranche, um Umweltauswirkungen von Materialien zu messen."
"Filterfunktion ist ein Feigenblatt"
Der Textilexperte übt Kritik an der Nachhaltigkeits-Offensive von Zalando: In der aktuellen Form sei die Filterfunktion lediglich ein Feigenblatt.
„"Es soll für ein gutes Gewissen beim Shopping sorgen und lenkt von der Verantwortung von Zalando für das Warenangebot auf seiner Plattform ab."“
Zalando sollte gemäß Hachfeld viel mehr daran setzen, die Produktionsbedingungen aller angebotenen Artikel zu verbessern und so selber Verantwortung übernehmen, "statt mit Werbung die Kunden zu Impulskäufen zu drängen und selber auf schnelle Expansion zu setzen."
Appell an Kunden
Marketingprofessor Stefan Michel von der IMD Business School in Lausanne findet es wichtig, dass Nachhaltigkeit thematisiert und Kunden sensibilisiert werden. "Möglicherweise können die Nachhaltigkeits-Labels bei Zalando eine Verhaltensänderung bei der Kundschaft oder bei den Produzenten beeinflussen", sagte er.
„"Oder sie geben den Leuten, die auf den Preis achten, ein gutes Gewissen."“
Die Wahl des Labels ist für ihn ausschlaggebend. "Wenn man wirklich nachhaltig konsumieren will, soll man Labels wählen, die ganzheitlich sind und nicht solche, die nur einen Teil der Produktion eines Kleidungsstücks betreffen." Er appelliert an die Eigenverantwortung der Konsumenten: Man solle sich überlegen, wie es denn möglich sei, ein T-Shirt für acht Euro zu erwerben.
„"Da können keine glücklichen Arbeiterinnen dahinterstecken."“