Österreich
Fehler auf Geburtenstation: Baby tot, 1 Kind behindert
Wegen gröberer Mängel kam es laut Anklage in der Klinik Diakonissen Schladming zu mehreren Komplikationen. Jetzt müssen sich Hebammen, ein Arzt und die Klinik strafrechtlich verantworten.
Es sind Vorwürfe, die auf den ersten Blick sprachlos machen: Bei einigen Geburten soll der Facharzt nicht oder zu spät zur Geburt geholt worden sein, es gab schwere Komplikationen, einige Hebammen werkten in Eigenregie – ein Baby starb, ein Kind ist schwer behindert.
Die Staatsanwaltschaft hat den Strafantrag gegen drei Hebammen, einen Arzt und die Klinik Diakonissen Schladming erhoben. Am 26. Juli 2014 war die hochschwangere Marion B. ins Diakonissen-Krankenhaus Schladming eingeliefert worden. Der diensthabende Facharzt für Gynäkologie wurde laut Anklage weder von der Aufnahme der werdenden Mutter, noch von den ersten Komplikationen informiert. Die Herztöne des Kindes sollen pathologisch gewesen sein, die Hebamme (36) gab der Mutter lediglich ein intravenöses Wehenmittel. Die kleine Gloria erblickte zwar um 4.55 Uhr mit einem schweren geburtsbedingten Sauerstoffmangel das Licht der Welt, starb aber am 11. August 2014 im Universitätsklinikum Salzburg.
Kind behindert
Bereits am 13. Februar 2010 war Stefanie Z. ins Schladminger Spital eingeliefert worden. Der diensthabende Arzt wurde von der Hebamme (36, Anm.: eine andere, die Drittangeklagte) nicht informiert und auch nicht notfallmäßig in den Kreißsaal gerufen. Auch hier kam es zu Komplikationen, die kleine Vanessa überlebte zwar, ist jetzt aber schwer behindert.
Am 23. Dezember 2011 hatte eine Hebamme (54, die Zweitangeklagte) den diensthabenden Facharzt nicht informiert. Die Patientin hatte eine sekundäre Wehenschwäche, doch die Hebamme zog nur den Turnusarzt zu Rate. Die Hebamme setzte frühzeitig einen Dammschnitt, verletzte ein größeres Blutgefäß. Auch im Jahr 2013 soll es laut Anklage zu Versäumnissen gekommen sein. Insgesamt gab es acht Verdachtsfälle, einige konnten von der Klinik indes entkräftet werden.
Im Strafverfahren wird die renommierte Anwältin Karin Prutsch alle fünf geschädigten Frauen vertreten. Zwei Opfer (totes Baby, gehandicaptes Kind) wurden bereits zivilrechtlich entschädigt, die anderen drei Frauen bekamen noch keinen Schadensersatz.
Das sagt Anwältin der Opfer
Karin Prutsch zum Strafantrag: "Für mich einzigartig ist in diesem Strafantrag, dass ich erstmals als Opfervertreterin in einem Strafverfahren tätig bin, in welchem auch die Verhängung einer Verbandsgeldbuße über den Rechtsträger der Klinik beantragt wird, da Mitarbeiter rechtswidrig und unter Außerachtlassung der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt Tathandlungen begangen haben sollen, die den Verband treffen. In diesem Fall insbesondere die Pflicht zur Gewährleistung einer fachgerechten geburtshilflichen Behandlung von Patienten durch die Anwesenheit eines Facharztes für Gynäkologie bei der Geburt."
Die Rechtsanwältin sagte im Rahmen einer Pressekonferenz am Donnerstag weiter: "Abschließend ist allen Sachverhalten ident, dass offensichtlich durch strukturelle Mängel nicht genügend Fachärzte für Gynäkologie und Geburtshilfe vorhanden waren, sodass nicht bei jeder Geburt ein Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe anwesend sein konnte, obwohl in den sanitätsbehördlichen Bewilligungsbescheiden dies als Voraussetzung gesetzt wird, dass ein solcher Facharzt für Gynäkologie und Geburtsheilkunde bei jeder Geburt anwesend ist."
Für alle Verdächtigen (drei Hebammen, ein Arzt, den Rechtsträger der Klinik) gilt natürlich die Unschuldsvermutung. Der Prozess wird am Landesgericht Leoben stattfinden, ein Termin steht noch nicht fest. (Lie)