Leukämie
Fast gestorben: Stammzellenspende rettet Frau das Leben
Annett N. hätte den Kampf gegen ihren Krebs nicht alleine geschafft. Nun bittet sie gesunde Menschen darum, sich typisieren zu lassen.
In Österreich erkranken täglich rund drei Menschen an Blutkrebs. Eine davon ist die 53-jährige Annett N., die 2020 die Diagnose "akute Leukämie" erhielt. Ein Krankheitsbefund, der ihr Leben völlig auf den Kopf stellte, wie sie im Interview mit "Heute" erzählt. Denn nur eine Stammzellenspende konnte ihr Leben noch retten.
Der Gedanke an den Tod
Als bei der gebürtigen Deutschen, die seit acht Jahren in Österreich lebt, Leukämie diagnostiziert wurde, war ihr erster Gedanke Unglaube. "Ich war entsetzt, schockiert und gelähmt und konnte nicht glauben, dass die Ärzte von mir reden", erzählt Annett N. "Es hat gedauert, bis der Gedanke zu mir vorgedrungen ist und ich mich damit anfreunden konnte."
Kurz darauf wurde ihr auch bewusst, dass sie bald sterben könnte, so die 53-Jährige: "Mich hat das alles aus dem Leben gerissen." Ihre Arbeit, der sie zu dem Zeitpunkt noch nachging, musste sie nämlich von einem Tag auf den anderen hinter sich lassen. "Ich musste ins Spital und hab geahnt, dass es ein langer Weg wird."
Besuchsverbot wegen Corona
Die Diagnose erhielt Annett N. im Jahr 2020, als in Österreich wegen der Coronavirus-Pandemie Ausgangssperren und Besuchsverbote beschlossen wurden. "Ich war sieben Wochen stationär im Krankenhaus und hatte sieben Tage lang für 24 Stunden eine Chemotherapie."
„Man kann sich das wie eine Infusion vorstellen - bei der ersten Chemo hatte ich so ein Kästchen, das ich tragen konnte, um mobil zu sein.“
Das ganze Jahr über musste sie mehrere Male für eine Chemotherapie stationär ins Krankenhaus, "weil das Immunsystem komplett hinunterfährt". Während dieser Zeit war die 53-Jährige viel allein, erzählt sie. "Es war eine schwere Zeit", denn niemand durfte sie besuchen kommen, oder gar auf die Station, um ihr eine seelische Unterstützung zu sein.
Spender gefunden
Nach mehreren Chemotherapien stand fest, dass sie ohne einen Spender nicht überleben würde. "Mein Körper hat es nicht geschafft, gesunde Stammzellen zu produzieren", so Annett N. Die Erlösung kam allerdings schon im Mai 2021, als sie mit jemandem "gematcht" wurde. "Es ist ein Wunder wahr geworden", waren damals ihre Gedanken.
Über den Spender weiß sie aber nicht viel, erklärt die 53-Jährige. Nur, dass es sich um einen jungen Mann aus Deutschland handelte, der zur Zeit der Spende 21 Jahre alt war.
So läuft eine Stammzellenspende ab
Im Vergleich zu einer Knochenmarkspende, die meistens nur für Babys und Kleinkinder benötigt wird, kommt die periphere Stammzellspende zu 90 Prozent zum Einsatz. Dabei erhält der Spender fünf Tage lang einen Wachstumsfaktor, um vermehrt Blutstammzellen zu produzieren. Anschließend werden Stammzellen ambulant mittels Stammzellapherese (Zugang in beiden Armvenen, ähnlich einer Blutspende) entnommen. Das dauert ca. fünf Stunden.
Als Nebenwirkung der Wachstumsfaktoren können Kopf- und Gliederschmerzen auftreten, die aber kurz nach der Behandlung wieder abklingen. Jährliche Blutuntersuchungen sollen danach zumindest zehn Jahre lang durchgeführt werden.
"Mein Leben lang dankbar"
"Die Spende lief eher unspektakulär ab", berichtet Annett N. über den Vorgang. "Ich hatte damals am Hals einen Zugang über die Vene, die dafür verwendet wurde." Vor der Spende hatte sie noch eine starke Chemotherapie, die ihr Immunsystem komplett zerstörte, damit die neuen Zellen angenommen werden konnten. Das rettete ihr Leben.
Inzwischen geht es Annett N. gut, sagt sie: "Ich bin dankbar, in jedem Moment, zu jeder Zeit, über die Entscheidung, die der junge Mann getroffen hat. Ich bin ihm mein ganzes Leben lang dafür dankbar und ich krabbel’ auch langsam ins Leben zurück."
Typisierung ernst nehmen
Aus dieser schweren Zeit nimmt sie aber auch einen Erfahrungsschatz mit. Sie möchte beistehen, bittet aber auch andere mitzuhelfen. "Lasst euch typisieren", ersucht sie. Denn, dass es ein Match gibt, ist sehr gering. Allerdings sollten sich Menschen nicht aus einer Laune heraus typisieren lassen, weil diese Entscheidung mit einer "Tragweite einhergeht."
„Als ich im Krankenhaus war, bekam ich mit, dass eine junge Frau ein Match hatte. Der potenzielle Spender wollte dann aber doch keine Stammzellen hergeben. Da brach die Welt für die Frau komplett zusammen.“
Die periphere Stammzellenspende läuft wie eine Blutabnahme ab, "es dauert nur länger". Das Blut wird ambulant entnommen, dabei wird man in der Arbeit freigestellt und auch die Fahrtkosten werden übernommen.
Transplantation rettet Leben
„Oft kann nur die Transplantation gesunder Stammzellen Betroffenen das Leben retten.“
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Gene zweier Personen kompatibel sind, und somit eine Stammzellspende möglich ist, liegt bei 1:500.000, erklärt Marosch.
Typisierung ganz leicht
In Österreich sind aktuell rund 3,2 Prozent der Gesamtbevölkerung typisiert und stehen als Spender von Stammzellen zur Verfügung. Letztes Jahr konnten 178 Österreicher auch tatsächlich ihre Stammzellen spenden und somit zu potenziellen Lebensrettern werden.
Geeignet sind alle Menschen zwischen 17 und 45 Jahren, die an keinen schwerwiegenden oder chronischen Erkrankungen leiden. Die Typisierung erfolgt durch einen Wangenabstrich, der mit einem Wattestäbchen durchgeführt und im Labor ausgewertet wird.
Der Abstrich kann entweder zu Hause selbst oder im Rahmen zahlreicher Typisierungsaktionen vorgenommen werden. Kommt es zu einer Übereinstimmung, wird der potenzielle Spender kontaktiert und durch den weiteren Ablauf begleitet.