Oberstes Gericht
"Extremismus" – Russland verbietet LGBTQ-Bewegung
Richter stufen ein Engagement für die Rechte von LGBTQ-Menschen als extremistisch ein. Wer genau mit der "LGBTQ+-Bewegung" gemeint ist, bleibt vage.
Das Oberste Gericht in Russland hat den Einsatz für die Rechte von LGBTQ+-Menschen als extremistisch eingestuft und verboten. Das Justizministerium, das die Klage in diesem Monat einreichte, führte an, die Behörden hätten "Anzeichen und Manifestationen extremistischer Natur" durch eine in Russland tätige LGBTQ+-Bewegung festgestellt. Sie stachele zu sozialem und religiösem Unfrieden an. Details nannte das Ministerium nicht. In seinem Urteil folgte das Gericht der Argumentation des Ministeriums.
Unklar, wer vom neuen Gesetz betroffen ist
Die Anhörung fand hinter verschlossenen Türen und ohne Teilnahme von Betroffenen statt. Mehrere Aktivisten verwiesen darauf, dass die Klage auf eine "internationale zivilgesellschaftliche LGBT-Bewegung" abziele. Die sei keine Organisation oder Rechtspersönlichkeit, sondern eine weit gefasste und vage Definition, die es den russischen Behörden ermöglichen würde, gegen alle Personen oder Gruppen vorzugehen, die als Teil dieser Bewegung angesehen würden.
Einige LGBTQ+-Aktivisten versuchten nach eigenen Angaben, sich dem Verfahren anzuschliessen, mit dem Argument, dass es um ihre Rechte gehe, wurden aber vom Gericht abgewiesen. Das Justizministerium reagierte nicht auf eine Bitte um eine Stellungnahme zu der Klage. Die englische Abkürzung LGBTQI+ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans-Menschen, queere sowie intergeschlechtliche Menschen, das Pluszeichen für weitere Identitäten.
Putin geht seit langem gegen LGBTQ-Menschen vor
Das Urteil des Obersten Gerichts ist die jüngste Massnahme in einer seit zehn Jahren andauernden Unterdrückung der Rechte von LGBTQ+ in Russland unter Präsident Wladimir Putin. Der machte sogenannte traditionelle Familienwerte zu den Eckpfeilern seiner Regierung. Im Jahr 2013 verabschiedete der Kreml ein erstes Gesetz zur Einschränkung der Rechte von LGBTQ+-Menschen, das sogenannte Schwulenpropaganda-Gesetz, das jede öffentliche Befürwortung sogenannter nichttraditioneller sexueller Beziehungen unter Minderjährigen verbietet. Eine von Putin durchgesetzte Verfassungsreform, mit der seine Amtszeit um zwei weitere Amtsperioden verlängert wurde, enthielt im Jahr 2020 auch eine Bestimmung zum Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe.
Nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Anfang 2022 verschärfte der Kreml seine Rhetorik zum Schutz traditioneller Werte, wie er es nannte, vor dem Einfluss des Westens. Menschenrechtsaktivisten sahen in den Äusserungen einen Versuch, den Krieg zu legitimieren. Im selben Jahr wurde ein Gesetz verabschiedet, das Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen auch unter Erwachsenen untersagte und damit jegliche öffentliche Unterstützung für LGBTQ+-Menschen. Ein weiteres Gesetz, das Anfang des Jahres verabschiedet wurde, verbietet Behandlungen zur Geschlechtsangleichung.
"Rechte von LGBT-Personen sind gesetzlich geschützt"
Vorwürfe der Diskriminierung von LGBTQ+-Menschen wiesen die Behörden zurück. Kürzlich zitierten russische Medien den stellvertretenden Justizminister Andrej Loginow mit der Aussage, dass die Rechte von LGBT-Personen in Russland gesetzlich geschützt seien. Loginow stellte dem UN-Menschenrechtsrat in Genf einen Bericht über die Menschenrechte in Russland vor und argumentierte, die Einschränkung der öffentlichen Demonstration von nicht-traditionellen sexuellen Beziehungen oder Vorlieben sei keine Form der Zensur.