Psychologie des Datings
Expertin warnt: Swipen beim Online-Dating macht süchtig
Mentaltrainerin Dunja Radler berät in einer Wiener Liebeskummerpraxis Menschen, die an Unverbindlichkeit und Überangebot des Online-Datings leiden.
"Das Online-Dating war bis vor kurzem als eine Erweiterung der Möglichkeiten, einen Partner zu finden, gut akzeptiert! In der Gruppe junger Frauen bis Ende 20 sieht es aber inzwischen anders aus. Für viele kommt Online-Dating gar nicht infrage", so Dunja Radler auf die Frage, in welcher Weise sie in ihrer täglichen Arbeit mit den Folgen des Online-Dating zu tun hat. Der typische Online-Dater übrigens ist inzwischen männlich und älter als 40, so Dunja Radler.
„Der typische Online-Dater ist männlich und älter als 40“
Dunja Radler ist klinische- und Gesundheits-Psychologin und arbeitet als Coach und Mentaltrainerin in einer Liebeskummerpraxis in Wien. Sie interessiert sich für das Thema Dating, "denn es gibt nichts, das die Menschen mehr bewegt als die Liebe und Beziehungen. Als Psychologin interessiere ich mich sehr für die Beziehungsfähigkeit von Menschen, weil die Qualität der Beziehungen die wichtigste Quelle von Lebensfreude darstellt."
Unverbindlichkeit beim Dating drückt auf Selbstwert
Es gibt psychologische Folgen des Online-Datings, die Dunja Radler beobachten kann: "Männliche Klienten leiden darunter, dass Frauen auf Tinder selten den ersten Schritt machen (auf Bumble ist das anders) und Klientinnen eher darunter, dass sich Männer nach dem ersten Date nicht mehr melden.
Diese Unverbindlichkeit, wie sie häufiger im Rahmen von Dates vorkommt, die über Online-Plattformen initiiert werden, drückt bei Menschen, die sich Verbindung wünschen, oft auf die Stimmung und das Selbstbewusstsein." Zudem bedenklich wirkt das Überangebot: "Swipen kann süchtig machen – vor allem, wenn das Angebot an potenziellen Partnern endlos erscheint."
Beim Daten kann also manches schiefgehen: "Ungünstige Verhaltensmuster, können dazu führen, dass man immer wieder in derselben Dating-Sackgasse landet. Die "Schäden" kommen nicht vom Dating selbst, sondern sind in der Regel darin begründet, dass bei der Vorauswahl vermeintlich passender Partner schlecht funktioniert. Oft hilft es, einen Blick auf das Profil der Klienten und vor allem auch auf die Profile der potenziellen Date-Kandidaten zu werfen und rückzumelden, welche Botschaften - ob absichtlich oder unabsichtlich - gesendet werden."
Frauen erwarten mehr vom ersten Treffen
Dunja Radlers Beachtung ist, dass Frauen in der Regel mit großen Erwartungen zum ersten Treffen gehen, sich oft schon ein genaues Bild von der Person, die sie treffen, gemacht haben und "auch öfter und nachhaltiger enttäuscht werden". Männer würden es besser schaffen, das Date ohne Vorkonstrukte auf sich zukommen zu lassen. Auch würden sich Frauen viel eher die "Liebe auf den ersten Blick" einbilden. Die laut Dunja Radler aber "mehr mit Hormonen zu tun hat als mit der Fähigkeit, einen passenden Partner in der ersten Sekunde zu erkennen. Männer binden sich auf der emotionalen Ebene in der Regel mit Verzögerung."
Zwar sei das Online-Angebot für Introvertierte eine Hilfe – aber die meisten Menschen würden es dennoch "analog" bevorzugen, so Dunja Radler. "Menschen bevorzugen nach wie vor die analoge Situation, sie wollen, dass das "Schicksal" sie zusammenführt und finden das um einiges romantischer, als die Partnersuche online."
Analog spürt man schneller, ob die Chemie stimmt
Fazit: Analog ist nachhaltiger. Lernen sich zwei Menschen analog kennen, würde laut der Expertin viel schneller klar, ob man einander interessant und/oder anziehend findet, weil Körpersprache, Stimme und Geruch eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl spielen. So könne man sich also auf mehreren Ebenen ein Bild von einer Person machen.
"Das ist beim Online-Dating nur bedingt möglich und schafft Raum für Vorstellungen und Erwartungen, die beim ersten Treffen dann oft enttäuscht werden." Dunja Radler selbst hat ihre Partner übrigens immer analog kennengelernt.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die Psychologin Dunja Radler berät Menschen, die unter der Unverbindlichkeit und dem Überangebot des Online-Datings leiden
- Sie beobachtet, dass Männer unter der Passivität der Frauen auf Dating-Plattformen leiden, während Frauen oft enttäuscht werden, da sie hohe Erwartungen an das erste Treffen haben
- Radler betont, dass sich die meisten Menschen analog kennenlernen und die Körpersprache, Stimme und Geruch eine wichtige Rolle bei der Partnerwahl spielen, was beim Online-Dating oft fehlt