Wien
Experten fordern "Redimensionierung" der Stadtstraße
Fachleute aus Verkehrs- und Wirtschaftswissenschaft drängen auf ein Umdenken bei Planung und Umsetzung des umstrittenen Straßenprojekts.
Als "Science for Future" haben sich Experten aus der Verkehrswissenschaft, der Stadtplanung und der Wirtschaftswissenschaft zusammengeschlossen. Bei einem Pressegespräch warnen sie vor negativen Entwicklungen beim Bau der Stadtstraße in Wien-Donaustadt und wollen Alternativen aufzeigen. Für Verkehrswissenschafterin Barbara Laa von der TU Wien ist das Projekt in seiner derzeit geplanten Form überdimensioniert: "Der Motorisierungsgrad der Stadt hat sich nicht so stark entwickelt, wie noch bei der Planung der Straße angenommen“, so Laa.
"Keine Umfahrungswirkung und keine Entlastung"
Würde die Stadt Wien ihr Anliegen ernst nehmen, den Anteil des Autoverkehrs bis 2030 zu halbieren, würde eine abgespeckte Version ausreichen: "Die Stadtstraße verbindet nun nicht mehr zwei Autobahnen. So entfaltet sie auch keine Umfahrungswirkung und kann daher keine Entlastung bewirken", führte die Expertin aus.
Ein Festhalten an der Verknüpfung des Öffi-Ausbaus mit dem Bau der Stadtstraße hält Laa für kontraproduktiv. "Es müssen die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut werden, eine bessere Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger zur Verfügung gestellt werden." Durch den Straßenbau würde aber verhindert werden, dass Menschen auf andere Verkehrsmittel umsteigen.
"Die Abhängigkeit vom Auto ist kein Naturgesetz", meinte der Verkehrswissenschaftler Paul Pfaffenbichler: "Eine Stadt ohne Auto ist möglich. Das bedeutet nicht, dass es überhaupt keine Autos mehr gibt." Beispiele in Paris, Madrid, Barcelona oder Oslo würden zeigen, dass man durch passende Konzepte den Anteil des Pkw-Verkehrs an der Mobilität der Wiener auf 15 Prozent senken könne.
Wohnbauch kein "fachlicher Grund" für Stadtstraßen-Bau
Dass von der Stadt oft ins Feld geführte Argument des Wohnbaus in Zusammenhang mit der Stadtstraße kritisierte Raumplaner Andreas Bernögger: "Es gibt keinen fachlichen, nur einen rechtlichen Grund, warum die Stadtstraße und der Wohnungsbau für 17.500 Menschen verbunden sind", erklärt der Experte. Die Stadt solle dem vielfachen Rat folgen und eine Änderung der UVP gründlich und transparent durchführen: "Dies könnte den Wohnungsbau sogar beschleunigen, wenn man nicht auf die Stadtstraße warten muss."
Sima: "Ohne Straße geht es nicht"
Auf Anfrage von "Heute" reagiert Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) auf die Kritik: "Die Stadt investiert drei mal so viel in Öffis als in den Straßenbau und dessen Erhalt. Wir bauen Radwege massiv aus, aber eine Stadt in einer Dimension von St. Pölten für rund 60, 000 Menschen ohne Straße geht nicht. Jede Änderung im Projekt bedeutet jahrelange Verzögerung für den sozialen Wohnbau, denn dazu braucht es ein neues UVP-Verfahren und das dauert Jahre!" Für Gespräche zum Klimaschutz sei man aber jederzeit offen.