Franz Vranitzky

Exkanzler hart: "Dumpfer Nationalismus" wäre unser Ruin

Kurz vor der EU-Wahl macht sich der frühere Bundeskanzler Franz Vranitzky für ein gemeinsames Europa stark. Er kritisiert Nationalisten scharf.

Roman Palman
Exkanzler hart: "Dumpfer Nationalismus" wäre unser Ruin
Altkanzler Franz Vranitzky während dem SPÖ-Auftakt zum EU-Wahlkampf am 20. April 2024 in Wien.
MAX SLOVENCIK / APA / picturedesk.com

Bei der kommenden EU-Wahl am 9. Juni geht es um maßgebliche Richtungsentscheidungen für die nächsten fünf Jahre auf unserem Kontinent. Österreich selbst ist bald drei volle Jahrzehnte Teil der Europäischen Union.

Der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) hatte 1994 Österreichs Beitritt formal besiegelt. Auch heute noch hält er an dem gemeinsamen Wirtschafts- und Friedensprojekt fest. Damit dieses gelingen könne, müssten alle etwas beitragen.

"Europapolitik beginnt zu Hause"

"Die EU ist kein Verein, dem mal einmal beitritt und glaubt, alles andere wird schon von selber laufen", betont der mittlerweile 86-Jährige in einem Interview in der aktuellen Ausgabe des Pensionistenverband-Magazins "Unsere Generation".

Vielmehr sei die Union eine große Interessengemeinschaft von 27 Staaten, die die Politik auf europäischer Ebene auch im jeweiligen Inland rechtfertigen müssten. Dazu brauche es einen Dialog mit der Bevölkerung. In Österreich lasse dieser aber zu wünschen übrig.

Es soll nicht heißen 'Wir und die EU', sondern 'Wir in der EU'
Franz Vranitzky

"Europapolitik beginnt zu Hause. Die österreichische Politik hat sin in zwei Jahrzehnten einer solche Europapolitik mangelhaft bis gar nicht unterzogen", so der Altpolitiker zu wachsenden EU-Skepsis in Österreich.

<strong>24.06.1994:</strong> Bundeskanzler <strong>Franz Vranitzky</strong> (l.) und Außenminister <strong>Alois Mock</strong> (r.) beim Unterzeichnen des Beitrittsvertrags mit der Europäischen Union.
24.06.1994: Bundeskanzler Franz Vranitzky (l.) und Außenminister Alois Mock (r.) beim Unterzeichnen des Beitrittsvertrags mit der Europäischen Union.
Georges Schneider / APA-Archiv / picturedesk.com

Er wünscht sich ein Umdenken: "Es soll nicht heißen 'Wir und die EU', sondern 'Wir in der EU'" und spart nicht mit Kritik: "Außerdem wäre es hilfreich, würden österreichische Minister aufhören, EU-Entscheidungen, bei deren Entstehung sie selber in Brüssel dabei waren, daheim zu kritisieren."

Gefährliche Abhängigkeit

Auch aktuell seien die geopolitischen Herausforderungen enorm. Die Spannungen zwischen Russland, China und den USA nehmen immer mehr zu, auch Europa wird davon in fast allein Bereichen stark betroffen sein.

[Europas] Stärke ist ohne Gemeinsamkeit nicht denkbar.
Franz Vranitzky

Dazu müsse der Kontinent geschlossen und mit einer Stimme auftreten, ist Vranitzky überzeugt: "Soll es nicht aufgrund der Größenverhältnisse in die Bedeutungslosigkeit und damit gefährliche Abhängigkeit abgedrängt werden, muss Europa seine Stärke absichern. Und diese Stärke ist ohne Gemeinsamkeit nicht denkbar."

In ihrem dumpfen Nationalismus lehnen die Rechtsnationalisten das Völkerverbindende ab.
Franz Vranitzky

Rechtsaußen-Parteien würden genau das aber torpedieren: "In ihrem dumpfen Nationalismus lehnen die Rechtsnationalisten das Völkerverbindende ab. Diese Ablehnung kann nur in einer Haltung gegen alle und gegen alles bestehen, die oder das nicht aus dem eigenen Land stammt", warnt der Bundeskanzler a. D.

Jeder einzelne Mitgliedsstaat ist zu klein, um in der Welt Gewicht zu haben.
Franz Vranitzky

"Das gemeinsame solidarische Europa ist unser Kontinent und wir sollten unsere Gemeinsamkeit verstärken, weil jeder einzelne Mitgliedsstaat zu klein ist, um in der Welt Gewicht zu haben und seine Interessen allein auf sich gestellt vertreten zu können."

Vranitzky ruft die Österreicher dazu auf, bei der EU-Wahl ihre Stimme abzugeben, "um nicht jenen die europäischen Parlamentssitze zu überlassen, die für unsere Zukunft, für unser Leben und für unseren modernen Staat nichts Gutes im Schilde führen."

Franz Vranitzky war von 1986 bis 1997 Bundeskanzler und zuletzt auch SPÖ-Vorsitzender. In seine Amtszeit fielen sowohl die Volksabstimmung über (66,6% sagten Ja) sowie auch der tatsächliche EU-Beitritt Österreichs. Der am 24. Juni 1994 auf Korfu unterzeichnete Beitrittsvertrag trägt seine Unterschrift. Am 1. Jänner 1995 wurde Österreich gemeinsam mit Schweden und Finnland EU-Mitglied.

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