Prigoschins Erbe

Ex-Marine betreibt ein Propaganda-Netzwerk aus Moskau

Ein amerikanischer Ex-Marine flieht von Florida nach Moskau. Dort soll er mittlerweile eine große Nummer sein im Informationskrieg gegen die Ukraine.

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Ex-Marine betreibt ein Propaganda-Netzwerk aus Moskau
Der Amerikaner bestreitet, in Propaganda-Aktivitäten verwickelt zu sein.
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John Mark Dougan (47) floh 2016 vor einer Anklage wegen einer Doxxing-Kampagne aus den USA. Der ehemalige US-Marine hatte als Polizeibeamter in Florida und Maine gearbeitet, bevor er wegen sexueller Belästigung gefeuert wurde. Darauf baute er eine Website, die Verleumdungen über seinen früheren Arbeitgeber verbreitete. Als die Behörden dagegen aktiv wurden, verließ Dougan Florida Richtung Moskau.

In Russland erhielt er Asyl und Aufmerksamkeit: Aussagen bei öffentlichen Anhörungen, Auftritte im russischen Staatsfernsehen. Nach eigenen Angaben betreibt er von Moskaus aus eine Cybersicherheits-Firma. Mittlerweile kann Dougan als Journalist auch aus dem russisch besetzten Donbass berichten.

Hauptakteur im russischen Infokrieg

Gleichzeitig gilt der Amerikaner als Hauptakteur eines in Russland ansässigen Netzwerks, das gezielt Falschinformationen verbreitet. Es sind Geschichten, die den ukrainischen Präsidenten und sein Umfeld der Korruption beschuldigen, Storys über angebliche Käufe von Luxusautos, Jachten und Privatjets, die darauf abzielen, die Unterstützung für die US-Militärhilfe für die Ukraine zu untergraben.

Dougan selbst bestreitet diese Aktivitäten. Experten konnten aber über zurückverfolgte IP-Adressen und Webserver eine eindeutige Verbindung zu ihm und dem Fake-Seiten-Netzwerk ziehen.

Guter Job mit Bugatti-Geschichte

Zehntausende von KI-generierten Artikeln hat Dougan Desinformations-Forschern zufolge produziert – wobei in diesen "Tsunami" von Inhalten immer wieder komplett Erfundenes platziert wird.

Die meisten Meldungen erreichen keine nennenswerte Reichweite. Doch schlagen erfundene Geschichten um Jacht- und Bugatti-Käufe einmal durch, hat Dougan einen guten Job gemacht.

Was ist seine Motivation?

"Es braucht nur eine einzige falsche Geschichte, die sich durchsetzt, damit sich der Einsatz lohnt", sagt Darren Linville vom Zentrum für Medienforensik an der Clemson University zu BBC.

McKenzie Sadaji von der Medienmonitoring-Organisation NewsGuard beschäftigt sich schon lange mit Dougans Aktivitäten und spricht immer wieder auch direkt mit ihm: "Ich würde ihn als jemanden beschreiben, der das Gefühl hat, dass ihm von den USA großes Unrecht angetan wurde."

"Klar, die Russen profitieren und benutzen ihn"

Dougan habe angegeben, als Polizeibeamter in den USA Korruption aufdecken zu wollen. Einige der Dinge, die er ans Licht zu bringen versuchte, seien aber unter den Teppich gewischt worden.

"Es ist schwer zu sagen, ob er die von ihm verbreiteten Geschichten wirklich glaubt oder nicht. Aber es ist klar, dass die Russen davon profitieren und ihn in gewissem Sinne benutzen", so Sadaji.

Verbindung zu Jewgeni Prigoschin

Dougans Desinformations-Netzwerk wird als Teil einer weitreichenden russischen Propaganda-Operation gesehen, die sich nun vermehrt auf die US-Wahlen im November konzentriert.

Dabei habe Dougan "ganz sicher Verbindungen zum Prigoschin-Netzwerk", sagt Darren Linville vom Zentrum für Medienforensik der Clemson University zu BBC. Jewgeni Prigoschin – Ex-Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Söldner-Chef, Versuchsputschist und Opfer eines mysteriösen Flugzeugabsturzes.

Er finanzierte vor über zehn Jahren die "Internet Research Agency", eine Trollfarm in St. Petersburg. Heute sei diese Agentur mit der "Foundation for Battling Injustice" verbunden, die ebenfalls Prigoschin gehört, so Linville. Als Teil der Desinformations-Operation "Doppelgänger" verbreite das Netzwerk auch Fehlinformationen von Dougans Fake-Newsseiten.

Desinfo-Produktion am Fließband

"Das Prigoschin-Netzwerk hat sich verändert, es hat neue Einheiten und neue Organe entwickelt", sagt Clint Watts vom Zentrum für die Analyse digitaler Bedrohungen von Microsoft zu BBC.

Watts zufolge wurden die russischen Beeinflussungsoperationen im Laufe der Zeit immer ausgeklügelter. Er spricht von einem "Fliessband der Propaganda- und Desinformationsproduktion".

"Größte entdeckte Kampagne weltweit"

Und Watts betont: Anders als vor zehn Jahren behauptet, seien nicht "nur ein paar Leute in einem Gebäude" in diesen Prozess eingebunden. Jetzt seien es "Tausende von Menschen in verschiedenen Organisationen".

Im Juni informierte das deutsche Auswärtige Amt darüber, dass deren Aktivitäten viel umfangreicher sind als zuvor vermutet. Die Rede ist nun von der "größten bisher entdeckten Desinformationskampagne weltweit".

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