Ukraine-Krieg

Ex-Botschafter verrät, was Putin verhandeln lassen wird

In Russland werden Scheinwahlen abgehalten, die Wladimir Putin erneut zum Präsidenten machen werden. Doch seine Macht bröckle, sagt ein Experte.

Ex-Botschafter verrät, was Putin verhandeln lassen wird
Rüdiger von Fritsch, ehemaliger deutscher Botschafter in Moskau, am späten Freitagabend in der ORF-"ZIB2".
Screenshot ORF

Am Freitag haben die russischen Präsidentschaftswahlen begonnen. Eigentlich dauern sie bis am Sonntag, doch schon jetzt dürfte klar sein, dass Wladimir Putin das Land mindestens sechs weitere Jahre mit harter Hand anführen wird. Schließlich sind seine populären Kritiker und Konkurrenten tot, hinter Gitter oder gar nicht erst zur Wahl zugelassen. Um aber auf Nummer sicher zu gehen, dass der 71-Jährige seine fünfte Amtszeit bekommen wird, setzen russische Sicherheitsbehörden auf bekannte Einschüchterungstaktiken.

Schon bei den Scheinreferenden in den besetzten ukrainischen Regionen im Herbst 2022 positionierten die kremltreuen Lokalbehörden überall schwerbewaffnete Soldaten. Auch bei den jetzigen Präsidentschaftswahlen erfolgt die Stimmabgabe in besetzten Gebieten vor Soldaten, wie Videos zeigen. Darin füllt etwa eine ältere Frau in einer Wohnung in der ukrainischen Stadt Sjewjerodonezk den Wahlzettel aus. Direkt neben ihr steht ein russischer Soldat mit einem "Z" auf der Brust, das Sturmgewehr in den Händen haltend.

"Es ist eine Besonderheit von Diktatoren"

Rüdiger von Fritsch, ehemaliger deutscher Botschafter in Moskau und Autor eines Buches über die Folgen von Putins Ukraine-Krieg, analysierte die Situation am späten Freitagabend in der "ZIB2" bei ORF-Moderator Armin Wolf. "Es ist eine Besonderheit von Diktatoren, die Fiktion aufrechtzuerhalten, man sei eigentlich eine Demokratie, man sei eigentlich ein Rechtsstaat", so der ehemalige Botschafter in Moskau. Es sei aber eine Diktatur, auch wenn man das nach nicht zeigen wolle. Er rechne, dass Putins Stimmanteil "irgendwo um die 80" liegen werde.

Putin habe aber nicht das russische Bolk hinter sich – 20 Prozente seien militante Unterstützer, 20 Prozent würden zumindest mit einigen Ideen sympathisieren, 60 Prozent aber würden schweigen und hätten eine antrainierte Einstellung, den Kopf einzuziehen und zu hoffen, dass einem nichts passiere. "Es gibt natürlich ein anderes Russland", so von Fritsch, das habe Alexei Nawalny vor seinem Tod demonstriert. Aktuell aber habe Wladimir Putin "alles pulverisiert", was es an Opposition gebe.

"Klassischer Diktator und Alleinherrscher"

Als "klassischer Diktator und Alleinherrscher" arbeite Putin mit der ständige Lüge, der ständigen Angst und der ständigen Bestecheung. Die Frage sei, ob die Mittel ewig reichen würden, so der Experte. "Putin hat sich in einer grotesken Fehlkalkulation der Wirklichkeit selbst massiv geschadet", ortete von Fritsch. Er habe es nicht geschafft, ein kleines Land militärisch zu erobern, und weil ihm das im eigenen Land schade, "deswegen wird Putin seinen Krieg so unerbittlich fortführen".

Putin werde aber an den Punkt kommen, an dem er überlegen müsse, wie sehr ihm der nicht gewinnbare Krieg im eigenen Land wirklich schade, prognostizierte der Ex-Botschafter. Wenn er an diesen Punkt komme, werde er womöglich verhandlungsbereit werden. "Er ist ein bisschen zum Kisten-Kasper geworden", so der Ex-Botschafter über Putin, momentan noch hole er alle paar Wochen seinen Vorgänger Dmitri Medwedew "aus der Kiste", der dann Atombomben und Nuklearangriffe schreie, der Westen dürfe sich aber nicht einschüchtern lassen.

"Wir müssen auf ein Russland danach setzen"

"Wir müssen auf ein Russland danach setzen, das wird kommen", so von Fritsch. Putin gelinge es als Autokrat nicht, eine Nachfolgeregelung zu finden, und er könne das auch gar nicht, denn eine solche "würde auch die Endlichkeit seines Regimes" deutlich machen. Muss Putin deswegen im Kreml sterben oder könne er geputscht werden? All das sei möglich, so der Experte, es könne aber auch sein, dass sein Regime "natürlich endet", oder aber auch das Volk plötzlich in großer Menge sage: "Es reicht!" Dass sich Volkszorn entwickle, wisse man aus der Geschichte, und das könne sehr schnell gehen. 

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red, 20 Minuten
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