"Ich kenne Putin gut"

EU-Juncker spricht jetzt offen über "großen Krieg"

Ex-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte zu seiner Amtszeit engen Kontakt zu Wladimir Putin. Nun warnt er vor einer totalen Eskalation.

Newsdesk Heute
EU-Juncker spricht jetzt offen über "großen Krieg"
Der ehemalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte in einem Interview vor einem "großen Krieg". 
REUTERS

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine sorgte bei Jean-Claude Juncker, zwischen 2014 und 2019 Präsident der Europäischen Kommission, für einen Schock. Der gebürtige Luxemburger habe schließlich einen guten Draht zum russischen Präsidenten, Wladimir Putin, gehabt, erklärte er in einem Interview mit der "Kleinen Zeitung".

"Eine Vorkriegsstimmung"

Laut Juncker befinde sich Europa "in einer Vorkriegsstimmung, weil mich manche rhetorischen Einlassungen an die Rhetorik des Kalten Krieges erinnern. Man redet nur noch über Waffen", so der Ex-Kommissionspräsident zur Tageszeitung. Er hoffe, dass diese Kriegsrhetorik nicht zu einem "großen Krieg" führe. Gleichzeitig erklärte er, dass Europa hier nicht die Schuld trage, sondern das "massive Fehlverhalten" von Russland-Präsident Putin

"Habe ihn auf dem Grill gehabt"

"Ich kenne Putin gut. Wahrscheinlich gehöre ich zu den Europäern, die am längsten und intimsten mit ihm geredet haben", erzählte Juncker. So hätten sie gemeinsam stundenlange, "auch nächtliche" Gespräche in deutscher Sprache gehabt, "ohne Zutun von Diplomaten oder Dolmetscher", so der Politiker. "Ich habe ihn also richtig auf dem Grill gehabt. Und er mich." Nun sei er "sehr enttäuscht", weil er Putin seit vielen Jahren "intensiv" beobachte und ihm immer wieder begegnete. 

Das kann sich Juncker nicht verzeihen

Nicht verzeihen könne er sich, dass er seinen "ost- und mitteleuropäischen Freunden, wenn sie vor russischen Übergriffen in ihrem Teil Europas gewarnt haben, zwar mein Ohr geschenkt" habe, "es aber sofort wieder verschlossen habe". Er habe gedacht, dass sie sich fundamental irren. "Aber ich habe mich fundamental geirrt", so Juncker. 

Ich habe mich fundamental geirrt.
Jean-Claude Juncker
hat russische Übergriffe auf Osteuropa unterschätzt

Der ehemalige Kommissionspräsident teilte die Aussage, dass Putin diesen Krieg nicht gewinnen dürfe, "weil er noch handgreiflicher werden würde". Daher müsse der Westen die Ukraine tatkräftig unterstützen. "Ich bin ja kein Kriegstreiber in dem Sinne, dass ich mir wünsche, dass nur die Waffen reden. Ich bin schon der Meinung, dass man hinter der Waffenfront auch andere Formate suchen muss, um diesen Krieg zu beenden", betonte er. "Aber es darf zu keinem russisch dominierten Diktatfrieden kommen. Das muss verhindert werden", so Juncker. 

Drachenzähne, Gräben – Ukraine baut massive Verteidigungsanlagen

1/7
Gehe zur Galerie
    Eiligst versucht die Ukraine im März 2024, die gesamte Front mit Verteidigungsanlagen zu befestigen.
    Eiligst versucht die Ukraine im März 2024, die gesamte Front mit Verteidigungsanlagen zu befestigen.
    SERGEY BOBOK / AFP / picturedesk.com

    Juncker will europäisches Heer

    Dass der französische Präsident Emmanuel Macron über die Entsendung von Truppen auf ukrainischem Boden spreche, habe ihn "überrascht, aber nicht entsetzt. Dem wohnt ja auch eine wohlüberlegte Strategie inne, die besagt, dass man einem sich als Gegner gebärdenden Widersacher nicht sagen sollte, wo die eigenen roten Linien verlaufen. Insofern lege ich das ab in der Rubrik taktischer Bewegungen", sagte Juncker, der sich erneut für ein europäisches Heer aussprach. Aber das sei "kein einfaches Ding. Das Denken in Europa ist national geblieben. Es muss europäisch werden."

    Auf den Punkt gebracht

    • Ex-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnt vor einer totalen Eskalation des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine
    • Er erklärt, dass Europa sich in einer Vorkriegsstimmung befinde und unterstreicht die Notwendigkeit, die Ukraine tatkräftig zu unterstützen, um einen von Russland dominierten Diktatfrieden zu verhindern
    • Juncker spricht sich für ein europäisches Heer aus, betont jedoch die Schwierigkeiten, ein solches Vorhaben in die Tat umzusetzen
    red
    Akt.