Wirtschaft
EU-Beschluss könnte dir jetzt höheres Gehalt bringen
Eine neue EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz verpflichtet Arbeitgeber dazu, Mitarbeitergehälter offenzulegen – das könnte zu mehr Fairness führen.
EU-Kommission, Parlament und EU-Mitgliedstaaten haben kürzlich eine neue Richtlinie zur Gehaltstransparenz beschlossen. Künftig müssen Arbeitgeber von sich aus über Gehälter informieren. Tun sie das nicht, drohen ihnen gesalzene Sanktionen. Der Vorstoß könnte endlich Bewegung in das leidige Problem der Gehaltsungleichheit bringen. "Heute" hat alle relevanten Infos dazu.
Das Ziel: Gehälter sollen fair sein, unabhängig von Geschlecht und Verhandlungsgeschick. Daher sollen Unternehmen zukünftig offenlegen müssen, wie sie ihre Mitarbeiter bezahlen. Hintergrund der Richtlinie ist nicht zuletzt, dass Frauen EU-weit immer noch 13 Prozent weniger verdienen als Männer. Österreichs Frauen hinken dem Rest der EU sogar noch deutlich hinterher: Hierzulande beläuft sich der Lohnunterschied auf ganze 18,8 Prozent, also beinahe ein Fünftel – mehr dazu hier.
Schluss mit Geheimnissen
Diese Unterschiede bleiben bestehen, obwohl sich in internationalem, europäischem und nationalem Recht seit Langem ein Entgeltgleichheitsgebot befindet. Die Zeiten der Geheimniskrämerei sollen nun vorbei sein: Unabhängig davon, wie groß ein Unternehmen ist, sollen Beschäftigte erfahren können, was Kollegen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten, am Lohnzettel stehen haben. So könnten auch erstmals Sammelklagen möglich werden.
Ab Inkrafttreten der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten nun drei Jahre Zeit, sie umzusetzen und in nationales Recht zu gießen. Doch was sind die konkreten Auswirkungen, welche die Richtlinie auf Arbeitnehmer haben wird? Hier zusammengefasst die wichtigsten Punkte:
Regelmäßige Berichte
Zukünftig besteht für Arbeitnehmer ein Auskunftsanspruch. Aufgeschlüsselt nach Geschlecht müssen Arbeitgeber auf Nachfrage individuelle Entgelthöhen sowie jene vergleichbarer Kollegen auflisten. Außerdem müssen Bewerber bereits vor einer Unterschrift oder vor einem Vorstellungsgespräch über den Rahmen des Einstiegsgehaltes informiert werden. Dieses muss auf Basis objektiver, geschlechtsneutraler Kriterien bestimmt werden.
Für Arbeitgeber wird es eine Berichtspflicht geben. Demnach müssen Firmen in regelmäßigen Abständen bestimmte Informationen an die Beschäftigten weitergeben. Außerdem wird es eine gemeinsame Entgeltbewertung geben: Unternehmen müssen Arbeitnehmer in Kategorien unterteilen, in denen gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet wird. Beläuft sich das geschlechtsspezifische Entgeltgefälle innerhalb der Gruppe auf fünf oder mehr Prozent, muss das Unternehmen handeln.
Beteiligung von Betriebsräten
Entweder, das Gefälle wird durch geschlechtsneutrale Kriterien gerechtfertigt – oder aber es wird innerhalb von sechs Monaten beseitigt. Passiert weder noch, muss gemeinsam mit dem Betriebsrat eine gemeinsame Entgeltbewertung stattfinden, in der der Lohn möglicherweise angeglichen werden muss. Gibt es keinen Betriebsrat, kann eine Arbeitnehmervertretung ausschließlich zu diesem Zweck eingerichtet werden.
Es muss stets eine Vergleichbarkeit gegeben sein. Gibt es in der Firma keine reale Vergleichsperson, so muss man sich anderweitig behelfen: Entweder kann auf Basis von Statistiken eine hypothetische Vergleichsperson erstellt werden oder man zieht vergleichbare Mitarbeiter anderer Unternehmen heran. Unter Umständen können auch frühere Mitarbeiter und deren Gehälter zum Vergleich dienen.
Kommen Unternehmen dem Ganzen aus?
Das könnte schwierig werden. Denn: Bei Verstößen drohen enormen Sanktionen. Gemäß der Richtlinie können "diese Sanktionen (...) Geldbußen umfassen, die auf dem Bruttojahresumsatz des Arbeitgebers oder der Gesamtentgeltsumme des Arbeitgebers beruhen könnten". Alice Jenner, Anwältin für Arbeitsrecht bei der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in Düsseldorf, meinte dazu gegenüber dem "Spiegel": "Wie der Gesetzgeber das genau umsetzt, ob zum Beispiel als Ordnungswidrigkeit oder sogar Straftatbestand, da gibt es Spielraum".
Unterschiede bei der Berichterstattungspflicht gibt es abhängig von der Größe des Unternehmens, wobei der Anspruch auf Auskunft für alle gleichermaßen besteht. Unternehmen mit mindestens 250 Beschäftigten sollen dazu verpflichtet werden, jährlich einen Bericht vorzulegen, wie stark sich die Gehälter von Männern und Frauen unterscheiden. Kleinere Unternehmen sind zwar betroffen, müssen aber seltener berichten und teilweise auch erst in acht statt in vier Jahren damit beginnen.
Laut Richtlinie sind Unternehmen mit weniger als hundert Arbeitnehmern nicht explizit zur Berichterstattung verpflichtet – sie dürfen dies aber selbstverständlich freiwillig tun. Außerdem können die einzelnen Mitgliedsstaaten strengere Regeln vorsehen.
Frageverbot
Arbeitgeber sollen künftig weiters nicht mehr fragen dürfen, was man denn bislang verdient habe. Des Weiteren muss im Vorfeld, also entweder schon in der Stellenausschreibung oder im Vorstellungsgespräch, über das Einstiegsgehalt und dessen Spanne informiert werden. Viele sehen das als deutlichen Transparenz-Gewinn.
Unternehmen können laut der Rechtsexpertin Jenner aber dennoch fragen: "Was sind denn Ihre Gehaltserwartungen?". Dies dürfte rechtlich gedeckt sein.
Müssen Mitgliedsstaaten die Richtlinie umsetzen?
Feststeht, dass die Richtlinie nationales Gesetz werden muss. Die Umsetzung kann allerdings noch etwas dauern. Formal tritt sie innerhalb von 20 Tagen nach Eintragung ins Amtsblatt in Kraft. "Danach hat der nationale Gesetzgeber eine Umsetzungsfrist von drei Jahren, in denen er die Inhalte der Richtlinie in ein Gesetz gießen muss. Voraussichtlich, indem er das Entgelttransparenzgesetz nachschärft", so Jenner zum "Spiegel".
Wegen der strengen Bestimmungen in der Richtlinie hält es die Rechtsexpertin für unwahrscheinlich, dass die Wirkung der Initiative in der Luft verpuffen wird. Zwar wird es noch bis 2026 dauern, spätestens dann sollte in der EU allerdings deutlich mehr Bewegung ins Thema "Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit" kommen.