Szene
Erst schimpfte Nitsch "Drecksblatt", dann wurde er zahm
Der weltbekannte Künstler Hermann Nitsch verstarb mit 83 Jahren. "Heute" durfte den Maler mehrmals interviewen – Höhen und Tiefen inklusive.
Dreimal traf ich in den vergangenen Jahren Hermann Nitsch zum Interview. Das erste Mal 2015. Anlass: Die Schau "ExistenzFest" im Wiener Theatermuseum. Kollegen hatten mich schon vorgewarnt: "Der Nitsch kann ein Grantler sein." Vor Ort sollte sich das bewahrheiten.
Hermann Nitsch im Video-Interview über seine Malaktion in Bayreuth
"Sind Sie aus Tirol?"
Als ich mich bei dem damals 76-Jährigen vorstellte, schimpfte er die Zeitung als "Drecksblattl". Ich konterte mit der Frage, wie es sei, Vorwürfe wegen Steuerhinterziehung zu bekommen. 2014 hatte es eine Razzia in seinem Schloss in Prinzendorf gegeben – seine Frau wurde 2017 zu 190.000 Euro Strafe verurteilt. "Alles nur Dummheiten", grantelte Nitsch damals. Mitten im Gespräch fragte er dann: "Sind Sie aus Tirol?" Als ich bejahte, erhellte sich sein Gesicht. Nitsch erzählte von seinen Reisen nach Innsbruck. Wir sprachen über den Balkan und seine Besuche in Kroatien.
Tafelspitz im Schlossgarten
Am Ende wurde der Künstler ganz zahm, lachte sogar – siehe Beweisfoto. Im Juli 2020 zeigte er sich dann von seiner blumigen, statt blutigen Seite. Im nitsch Museum in Mistelbach (NÖ) wurden Werke, inspiriert von Frühlingsblumen, ausgestellt. Nach der Besichtigung lud Nitsch in sein Schloss ein. Im Garten wurde Tafelspitz serviert, während Pfauen über die Dächer des Anwesens stolzierten – kein Scherz. Den Ausstellungskatalog signierte er mir mit: "Für die Weltbürgerin".
Bei unserem letzten Gespräch im Oktober 2021 betonte Nitsch: "Die Erinnerung an die Malaktionen ist eigentlich das Bleibende."