Geiger über Unterweger

"Er war schon eine herausragende Verbrechergestalt…" 

In seinem dritten Roman "Mordsmann" arbeitet der ehemalige Top-Kriminalist Ernst Geiger jetzt den größten Mord-Fall seiner Karriere auf…

Fabian J. Holzer
"Er war schon eine herausragende Verbrechergestalt…"
Ernst Geiger schrieb über Jack Unterweger, den größten Fall seiner Karriere.
Picturedes, Edition a

Darf ein ehemaliger Spitzenpolizist tatsächlich alles verraten, was sich hinter den Kulissen bei der Jagd nach Österreichs berühmtesten Serien Jack Unterweger (1950-1994) abgespielt hat? Nein, natürlich nicht. Aber "Mordsmann" von Ernst Geiger ist ja auch kein Sachbuch, sondern ein Krimi: "Solche Dinge kann ich nur als Roman schreiben", meint Geiger lächelnd zu "Heute", "als Sachbuch würde das zum kriminalpolizeilichen Bericht werden und als Ermittlungsleiter kann ich so etwas nicht schreiben." Den Tatsachen entspricht "Mordsmann" natürlich schon.

Im Film "Jack" von Elisabeth Scharang spielte Bühnenstar Johannes Krisch Jack Unterweger: 

Jack Unterweger war 1976 wegen einem brutalen Mord im deutschen Hessen zu lebenslanger Haft in der Justizanstalt Krems-Stein verurteilt worden. Bei dem Mord schlug Unterweger mit einer Stahlrute auf sein weibliches Opfer ein, strangulierte sie mit ihrem BH und täuschte anschließen ein Sexualdelikt vor. Während seiner Haft begann Unterweger Romane zu schreiben und wurde als "Häfnliterat" gefeiert. "Ich habe damals alles gelesen", erzählt Geiger, mich hat am meisten geärgert, dass er nicht das geschrieben hat, wofür er gelobt wurde. Er hat nicht von der Aufarbeitung seiner Vergangenheit geschrieben, vom Mörder zum Literaten. Er hat das alles verschwiegen oder bagatellisiert. Er hat nie gesagt, was er gemacht hat. Er hat nur geschrieben, das ist passiert und es tut ihm leid. Aber, dass der Mord, für den er verurteil worden ist, ein abscheuliches sexuell motiviertes Tötungsdelikt war, das hat er nie geschrieben."

Unterweger war damals ein guter Autor. Aber aus heutiger Sicht kann man seine Werke kaum mehr lesen…
Autor Ernst Geiger
über den Autor Jack Unterweger

Die literarischen Werke Unterwegers wurden in der Öffentlichkeit als Zeichen dafür gesehen, dass der gebürtige Steirer in der Haft resozialisiert werden konnte. Autoren und Intellektuelle wie Günter Grass, Elfride Jelinek, Erika Pluhar oder Ernst Jandl setzten sich für die vorzeitige Entlassung Unterwegers ein. "Alle führenden Literaten haben sich für ihn verwendet", erinnert sich Geiger und gibt sogar zu: "Unterweger hat in seine Zeit gepasst und war damals ein guter Autor. Aber aus heutiger Sicht kann man seine Werke kaum mehr lesen." 

Zu Serienmörder wurde Jack Unterweger erst nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis 1990, als er begann Prostituierte in Prag, Graz, Wien und später in Los Angeles zu ermorden. Alle Opfer wurden wurden mit ihrer eigenen Unterwäsche, die zu einem Henkersknoten gebunden wurde, stranguliert. Ab 1991 war Geiger in die Ermittlungen involviert, ab 1992 leitete er eine Sonderkommission zu den Mordfällen. In "Mordsmann" werden alle Geschehnisse von damals neu aufgerollt und auch aus der Sicht unterschiedlicher Protagonisten von damals erzählt. Aber das natürlich anonymisiert und stark komprimiert: "Man kann nicht alle Figuren, die da waren, unterbringen. Die Sonderkommission war natürlich bei weitem größer als im Buch und die Frauen in Unterwegers Leben waren auch um ein Vielfaches mehr. Da muss man komprimieren und mehrere Charaktere in einer Figur unterbringen. Und natürlich muss man auch fiktionalisieren, dann man kann ja nicht alle mit Namen nennen. Vor allem Menschen, die nicht öffentlich bekannt waren…"

Von 1990 bis 1992 beging Unterweger mindestens elf Morde.
Von 1990 bis 1992 beging Unterweger mindestens elf Morde.
Peter Kurz / Contrast / picturedesk.com

Im Buch wie im wahren Leben kam die Sonderkommission Unterweger immer näher. Er flüchtete in die USA, mordete dort weiter und konnte am Ende von den amerikanischen Behörden gefasst werden. "Sogar das FBI war von ihm fasziniert, obwohl es in Amerika viele Serienmörder gibt. Die haben gesagt, dass am ehesten Ted Bundy mit ihm vergleichbar war, alle anderen waren primitiver." Geiger ärgert es übrigens nicht, dass nicht er es war, der Unterweger 1992 verhaftet hat, sondern die Amerikaner "Wir haben sie ja dorthin geführt, wo sie ihn festgenommen haben, das war eine ausgezeichnete Zusammenarbeit!"

Unterweger in Handschellen in den USA, 1992
Unterweger in Handschellen in den USA, 1992
Picturedesk

"Mordsmann" ist bei weitem nicht das erste literarische Werk über die Causa Unterweger. So schrieb der Autor Franzobel bereits 2008 "The Infernal Comedy", ein Bühnenstück, dass mit Hollywoodstar John Malkovich zum Bühnenhit wurde. 2015 drehte die Regisseurin Elisabeth Scharang den Spielfilm "Jack" mit Johannes Krisch als Jack Unterweger und auch sonst war die Figur Unterwegers Thema in Rap-Songs oder Death-Metal-Liedern. Auf eine unheimliche Weise fasziniert Jack Unterweger bis heute: "Er war schon eine herausragende Verbrechergestalt und mit keiner anderen vergleichbar. Er konnte die Masse so täuschen, dass er nicht nur eine intellektuelle Elite getäuscht hat, sondern auch die öffentliche Meinung. Bis zum Schluss hat mindestens die Hälfte der Österreicher geglaubt, er ist unschuldig. Auch das Verfahren ist knapp ausgegangen. Er ist 6:2 verurteilt worden, wäre es 4:4 gewesen, wäre er freigekommen." Nur Stunden nach der Verurteilung zu lebenslanger Haft - diesmal ohne Aussicht auf vorzeitige Entlassung  - erhängte sich Unterweger am 29. Juni 1993 in der Anstalt Graz-Jakomini mit dem gleichen Knoten, mit dem er auch seine Opfer getötet hatte. 

Fiktionalisiert oder nicht, in "Mordsmann" schließt Ernst Geiger, der seit 2017 in Pension ist, nicht nur mit den Kapitel Jack Unterweger ab, sondern auch mit dem Schreiben über seine größten Fälle. Zumindest für's erste: "Jetzt kommt einmal eine Ruhephase. Die wichtigen Sachen habe ich jetzt abgearbeitet: Die Favoritner Mädchenmorde, die Saliera und Jack Unterweger, mein allergrößter Fall." "Mordsmann" ist jetzt bei edition a erschienen. 

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