Overtourism in Österreich
Eintritt für Tagestouristen? Alpen-Dorf wird überrannt
Wie Venedig kann sich auch Hallstatt vor Tagesgästen kaum retten. Der Bürgermeister des 743-Seelen-Dorfes im "Heute"-Gespräch.
Fast scheint es, als habe der Massentourismus nach der Coronavirus-Pandemie eine ganz neue Dimension erreicht. Vielleicht hat man sich in den Jahren der Lockdowns und Reisebeschränkungen jedoch auch einfach nur an die Ruhe gewöhnt. So oder so, das Wort Overtourism ist in aller Munde und immer mehr Reiseziele, Sehenswürdigkeiten, aber auch Städte auf der ganzen Welt ziehen die Reißleine. Zuletzt Venedig.
In der Lagunenstadt, die an starken Tagen an die 100.000 Besucher zählt, müssen Tagestouristen jetzt Eintritt zahlen – zumindest an bestimmten Tagen. Ein System, das auch in Como am Comer See auf offenen Ohren stößt. Dort befürchtet man, dass die vielen Tagesausflügler zunehmend die gut zahlenden Übernachtungsgäste vertreiben könnten.
Hallstatt sucht anderen Weg
Diese Angst hat man in Hallstatt im österreichischen Salzkammergut zwar nicht, aber zu Problemen führen die vielen Touristen dennoch. "Der Punkt ist, es sind zu viele Leute im Ort", erklärt der Hallstätter Bürgermeister Alexander Scheutz im "Heute"-Gespräch. Rund 10.000 Besucher sollen an starken Tagen in das 743-Seelen-Dorf strömen.
Dabei bereiten dem 61-Jährigen vor allem die Wildparker Kopfzerbrechen. "Wir haben 100 Parkplätze für die eigenen Leute und rund 350 Stellplätze für Besucher. Sind die voll, drehen die Leute trotzdem nicht um und fahren wieder nach Hause, sondern stellen sich halt irgendwo hin und blockieren Einfahren und Straßen." Ein Lösungsansatz wären mehr Parkplätze, dass dies zum erwünschten Ziel führt, bezweifelt Scheutz jedoch.
Ländergrenzen und Sprachbarrieren
Ein Ticketsystem für Tagesgäste, wie es Venedig jetzt erprobt, sei erst recht kein Thema und das habe laut dem Bürgermeister mehrere Gründe: "Erstens, fünf Euro schrecken niemanden ab, die Tagestouristen kommen trotzdem, das sieht man auch anhand der regelmäßigen Indexanpassung der Parkgebühren." Zweitens, sei Hallstatt kein Freilichtmuseum. "Zahlen die Leute für etwas Eintritt, dann nehmen sie sich noch mehr heraus und verhalten sich womöglich noch ungehaltener als ohnehin schon."
„Fünf Euro schrecken niemanden ab.“
Drittens würde man spätestens bei den Streifen scheitern. "Die Exekution scheint uns nicht praktikabel. Schon jetzt ist es schwierig, Besitzstörungsklagen über Ländergrenzen hinweg durchzusetzen. Wie soll man dann das Bußgeld für den fehlenden Eintritt einfordern? Zumal hier die Sprachbarriere eine große Rolle spielt."
Und dann wäre da noch - als vierter Punkt - die Landesstraße, die durch Hallstatt führt. "Es handelt sich um eine öffentliche Straße, auf der man sich frei bewegen darf." Damit könne die Straße nicht einfach so temporär gesperrt werden. Welche Möglichkeiten man hier habe, müsse man noch juristisch prüfen.
Mangel an Betten
Immerhin sei man bisher bei der Limitierung der Reisebusse erfolgreich gewesen. Durch die Timeslots von mindestens zwei Stunden und 20 Minuten habe man die über 100 Busse pro Tag auf "40 bis 50 an Spitzentagen" reduzieren können, so Scheutz.
Um nun auch die Individualtouristen in den Griff zu bekommen, wurde ein Projekt zur Besucherlenkung ins Leben gerufen, das nicht nur von Land und Bund befürwortet, sondern auch von der EU gefördert wird. Bei der Ausarbeitung von Lösungsansätzen binde man auch "die Bevölkerung und Nachbargemeinden ein".
Außerdem müsse man an der Bettenzahl in Hallstatt arbeiten, merkt der Bürgermeister an. "Wir haben viel zu wenig davon. Von 1.050.000 Nächtigungen in der Region entfallen nur 145.000 auf Hallstatt selbst. Das sind mit Abstand die wenigsten Nächtigungen."
Ändern soll das ein neues Hotel mit 228 Betten. Allerdings laufen die Bauverhandlungen für das Projekt noch. "Leider gibt es vom Naturschutz ein negatives Gutachten dazu", räumt Scheutz ein.
Auf den Punkt gebracht
- Der Bürgermeister von Hallstatt, Alexander Scheutz, diskutiert die Probleme des Massentourismus in seinem 700-Seelen-Dorf und lehnt die Einführung eines Eintritts für Tagestouristen ab
- Er betont, dass Ländergrenzen und Sprachbarrieren die Umsetzung eines solchen Systems erschweren würden
- Stattdessen setzt die Gemeinde auf Besucherlenkung und den Ausbau von Unterkünften, um den Ansturm zu bewältigen
- Trotzdem gibt es noch Herausforderungen, wie beispielsweise ein geplantes Hotel, das aufgrund eines negativen Gutachtens des Naturschutzes in der Schwebe ist