Erste Kanzlerin
"Eine tolle Frau" – Land verneigt sich vor Bierlein
Die erste und bisher einzige Bundeskanzlerin Österreichs ist tot. Der Bundespräsident würdigte die Juristin als "Hüterin der Verfassung".
Wie das Bundeskanzleramt am Montag mitteilte, ist Ex-Kanzlerin Brigitte Bierlein verstorben. Die Spitzen-Juristin wurde 74 Jahre alt. Bei ihren ehemaligen Kolleginnen und Kollegen sorgt die Nachricht für Trauer.
Alexander Schallenberg, der auch in der Amtszeit von Bierlein als Außenminister tätig war, schreibt etwa: "Tief betroffen über den viel zu frühen Tod von Brigitte Bierlein. Eine starke Frau, eine gewichtige Stimme für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung ist heute von uns gegangen. Sie wird mir immer in ehrenvoller und lieber Erinnerung bleiben. Möge sie in Frieden ruhen!"
Auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger denkt an ihre Zeit mit der Ex-Bundeskanzlerin zurück: "Sehr traurig. Brigitte Bierlein ist gestorben. Eine tolle Frau, Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes und erste Bundeskanzlerin Österreichs. Eine wahre Demokratin, die in unruhigen Zeiten Stabilität gesichert hat. Ich werde unsere guten Gespräche in Erinnerung behalten. Mein Beileid ihrer Familie".
Arbeitsminister Martin Kocher drückt seine Bewunderung für sie aus: "In tiefer Trauer über das viel zu frühe Ableben von Brigitte Bierlein. Als erste Bundeskanzlerin Österreichs hat sie nicht nur große Verantwortung für das Land in einer schwierigen polit. Phase übernommen, sondern war darüber hinaus besonderes Vorbild für Mädchen und Frauen. RIP"
"Verfechterin des Rechtsstaats"
Auch der Verfassungsgerichtshof hat einen Nachruf verfasst. Der jetzige Präsident und somit Bierleins Nachfolger würdigt ihre "zielgerichtete und ausgleichende Art im Vorsitz des Kollegiums und ihren großen Beitrag zur Rechtsprechung", vor allem im Strafrecht und im Umweltrecht. "Der Verfassungsgerichtshof verliert eine unparteiliche ehemalige Präsidentin und einen hochgeschätzten Menschen, Österreich eine entschlossene Verfechterin des Rechtsstaats", so Christoph Grabenwarter.
Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer sieht in Bierlein ein ewiges Vorbild. "Als Bundeskanzlerin hat sie in einer politisch besonders schwierigen Phase Verantwortung übernommen und ihr Amt mit Ruhe, Besonnenheit und Standfestigkeit geführt. Nicht nur für viele Frauen, die in die Politik streben, wird Brigitte Bierlein immer ein Vorbild sein. Unser tiefstes Beileid gilt ihrer Familie, ihren Freund:innen und ihren Wegbegleiter:innen", so Maurer.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen gelobte Bierlein im Juni 2019 als Bundeskanzlerin an und beauftragte sie nach der Ibizia-Affäre mit der Regierungsbildung. "Ich habe Brigitte Bierlein als mutige, disziplinierte Frau kennengelernt, die Verantwortung übernommen hat, als ihr Land sie gebraucht hat. Sie wird für viele Mädchen und Frauen, für uns alle, auch in Zukunft als Vorbild wirken", so das Staatsoberhaupt auf X.
Vor und nach Bierlein war Sebastian Kurz im Bundeskanzleramt. Der mittlerweile zurückgetretene Ex-Politiker schreibt: "Brigitte Bierlein hat in einer turbulenten Zeit mit ruhiger Hand für Stabilität in Österreich gesorgt und davor über viele Jahre die Arbeit des VfGH geprägt. Die Nachricht von ihrem Ableben macht mich sehr betroffen. Für ihr Wirken gebührt ihr unser aller Dank."
"Nach dem jähen Ende der schwarz-blauen Kurz/Strache-Regierung hat Bierlein das Amt der Bundeskanzlerin übernommen und gemeinsam mit der Expert*innen-Regierung unserem Land Stabilität gegeben", sagt der Bundesparteivorsitzende der SPÖ, Andreas Babler.
Ähnliche Worte kommen aus dem Burgenland. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zeigt sich tief betroffen: "Brigitte Bierlein hat als erfahrene Juristin der Republik Österreich in höchsten Staatsämtern gedient, sei es als Generalanwältin beim Obersten Gerichtshof, als Vizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofes sowie später auch als Präsidentin des Höchstgerichts." Ihre Funktion als Bundeskanzlerin habe sie mit "großer Sorgfalt, Umsicht und Verantwortungsbewusstsein ausgeübt", so Doskozil.
Bierlein war "eine großartige Persönlichkeit, eine exzellente Juristin und eine umsichtige Politikerin", sagt Bundesparteiobmann Herbert Kickl. "Für mich sind folgende Worte aus ihrer Antrittsrede gleichermaßen einprägend wie charakteristisch für ihren Zugang zur Arbeit für die 'res publica': Nichts hält das Gemeinwesen besser zusammen als die Verlässlichkeit. Lassen Sie mich das Zitat um den Begriff Vertrauen ergänzen", heißt es in einer Aussendung der FPÖ.
"Zeichen der Mahnung"
Trauer und Betroffenheit wird auch seitens der Katholischen Kirche ausgedrückt. Kardinal Christoph Schönborn meldet sich zum Tod der Ex-Kanzlerin auf X: "Sie hat in einer schwierigen politischen Situation unseres Landes das Amt der Bundeskanzlerin und damit für ganz Österreich Verantwortung übernommen."
Den Zeitpunkt ihres Todes deutet der Geistliche als eine Mahnung: "Dass sie am fünften Jahrestag ihrer Angelobung starb, ist ein Zeichen der Mahnung, dass alle Kräfte des Landes zusammenwirken sollen zugunsten des Gemeinwohls", heißt es in dem Post weiter.
"Herz schlug für die Schönheit der Künste"
Auch das Österreichische Bundestheater trauert um Bierlein. "Mit Sachverstand und Umsicht" war sie seit September 2020 Vorsitzende des Aufsichtsrats. Ihr Herz schlug für die Schönheit der Künste, was sie mit ihrer regen Teilnahme am kulturellen Geschehen auch abseits der Bühnen bewies. Sie hat sich mit großer Leidenschaft für das Wohl der Österreichischen Bundestheater eingesetzt", so Christian Kircher, Geschäftsführer der Bundestheater-Holding.
"Mit Brigitte Bierlein verliert die Kultur in Österreich nicht nur eine professionelle Begleiterin, sondern auch einen Menschen mit großer Empathie. Sie wird uns als Vorbild in Erinnerung bleiben. Wir sind Brigitte Bierlein zutiefst dankbar."