Österreich
Ein Viertel aller Zwangspatienten wird angegurtet
Seit der Corona-Pandemie sind die Fixierungen für Patienten, die unfreiwillig in der Psychiatrie sind, gestiegen.
Täglich befinden sich im Schnitt 770 Patienten gegen oder ohne ihren Willen in Österreichs psychiatrischen Stationen. Dazu kommt es, wenn Ärzte eine Gefahr für die Personen selbst oder für andere Menschen sehen.
Vergangenes Jahr waren es in acht Bundesländern (ohne Vorarlberg gerechnet) über 25.000 solcher Unterbringungen, wie von der Patientenanwaltschaft VertretungsNetz bekanntgegeben wird. Einen Anstieg wurde allerdings bei der "weitergehenden Beschränkung der Bewegungsfreiheit" festgestellt.
Pandemie brachte mehr Einschränkungen
Rund 34 Prozent der Patienten waren 2023 im Zuge ihres Aufenthalts unter anderem mit Gurten ans Bett fixiert oder ins Krankenzimmer eingeschlossen. Seit Beginn der Covid-Pandemie ist der Anteil sprunghaft angestiegen und seither nicht mehr zurückgegangen. Konkret wurde ein Viertel der Patienten, also etwa 6.000 Personen, während ihres Aufenthaltes ans Bett fixiert.
Auch je nach Region sind Unterschiede zu verzeichnen. "Wir sehen bei der Beschränkungsquote große regionale Unterschiede: In Wien und im Burgenland wird etwa doppelt so viel beschränkt wie in den westlichen Bundesländern Tirol und Salzburg", erklärt Bernhard Rappert, Fachbereichsleiter Patientenanwaltschaft bei VertretungsNetz.
Daten sollen helfen
Die Unterschiede seien ein Hinweis auf unterschiedliche Zugänge und Haltungen zum Thema Zwang. "Wir hoffen, dass unser Input seitens der psychiatrischen Abteilungen dazu genutzt wird, herauszufinden, warum es an manchen Standorten gelingt, mit weniger Zwangsmaßnahmen auszukommen", so Rappert.
Doch wie kommt es zur häufigeren Einschränkung der Patienten? "Endgültige Hypothesen haben wir nicht", sagt Rappert auf "Heute"-Anfrage. Die veröffentlichen Daten sollen aber dabei helfen, Probleme zu ermitteln und Lösungen zu finden. Was "sicher eine Rolle spielt", sei der Pflegenotstand, der auch die heimischen Psychiatrien betrifft. Laut Rappert seien Einschränkungen dort am ehesten vermeidbar, wo es mehr Personal gibt.
Nicht genug für Minderjährige
Besonders besorgt sei man auch über die Lage der Kinder und Jugendlichen. Die Anzahl der Unterbringungen Minderjähriger ist seit der Covid-Pandemie massiv um knapp 20 Prozent auf 2.673 angestiegen. Gleichzeitig sinkt die durchschnittliche Unterbringungsdauer teilweise sehr deutlich. Man gehe davon aus, dass viele Jugendliche nicht ausreichend stabilisiert das Spital verlassen.
Die Zahlen aus Wien widersprechen nicht: "Während die Unterbringungsdauer von Kindern und Jugendlichen dort in nur einem Jahr von 12,1 Tagen (2022) auf 7,4 Tage (2023) gesunken ist, hat sich der Anteil jener jungen Patient:innen, die im Lauf eines Kalenderjahres fünfmal oder sogar öfter untergebracht waren, um knapp 27 % erhöht", heißt es.