Alles zum Mammutprozess
Ein Prinz, Waffen und ein Putschversuch
Sie wollten mit einem Umsturz ein neues Deutschland schaffen. Die mutmaßlichen "Reichsbürger" um Heinrich XIII. Prinz Reuss stehen Montag vor Gericht.
Am Montag beginnt vor dem Oberlandesgericht Stuttgart der erste Prozess gegen mutmaßliche Verschwörer des sogenannten Reichsbürgernetzwerks um Heinrich XIII. Prinz Reuss. Die Angeklagten sollen sich zum Ziel gesetzt haben, die demokratische Ordnung in Deutschland mit Gewalt zu stürzen und durch eine eigene Staatsform zu ersetzen. Das komplexe "Konglomerat aus Verschwörungsmythen" im Überblick:
Wer waren die Köpfe der Gruppe?
Rädelsführer sollen der 72-jährige Heinrich XIII. Prinz Reuss und der 70-jährige Ex-Bundeswehroffizier Rüdiger von P. gewesen sein. Reuss gilt als antisemitischer Geschäftsmann und stammt aus einer ehemals aristokratischen Familie, wie "The Guardian" berichtet.
Zur Gruppe gehören unter anderem auch eine Astrologin und AfD-Mitglied sowie ein Schweißer aus der südbayerischen Rockszene, ein österreichischer Star-Chef und eine Ärztin, die als Impfgegnerin bekannt ist und die Zukunft anhand von Eiern vorhersagt.
Woran glaubten die mutmaßlichen Verschwörer?
Die "Reichsbürger" waren von verschiedenen Verschwörungsmythen überzeugt: So soll etwa Deutschland von Mitgliedern eines sogenannten "Deep State" regiert werden. Die mutmaßlichen Verschwörer glaubten, dass es sich dabei um einen Geheimbund von Regierungen, Geheimdiensten und Streitkräften verschiedener Staaten handle. Mit dieser nicht existierenden Allianz habe die Gruppe allerdings zusammenarbeiten wollen.
Was sollte bei der Zusammenarbeit passieren?
Die sogenannte Allianz sollte den "Reichsbürger" ein Zeichen für den "Tag X" geben – ein Signal für das Eingreifen der Gruppe. Der Plan soll gewesen sein, dass die "Allianz" die obersten staatlichen Institutionen angreifen solle, die "Reichsbürger" hätten die übrigen Institutionen und Amtsträger auf Landes-, Kreis- und kommunaler Ebene beseitigt. Laut Bundesanwaltschaft hatte die Gruppe vorgehabt, bewaffnet in das Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen und Bundestagsabgeordnete festzunehmen.
Wann wäre Tag X gewesen?
In Chat-Gruppen wurde als mögliches Datum der Tod der britischen Königin Elizabeth II. diskutiert. Rüdiger von P. erwartete ein "Signal für einen Angriff alliierter Streitkräfte auf Deutschland". Laut Anklage meinte der ehemalige Oberstleutnant, dass ein Stromausfall den Beginn des Putsches auslösen würde – doch dazu kam es nie. Drei Monate später führte die Polizei eine große Razzia gegen das Netzwerk durch und nahm zahlreiche Personen fest.
Was hatte die Gruppe nach Tag X vor?
Nach dem gewaltsamen Umsturz wollte der Kern der Gruppe, namentlich Reuss, mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs über eine neue staatliche Ordnung verhandeln. Zentraler Ansprechpartner sei ihrer Auffassung nach aber nur Russland gewesen.
Was wird den Angeklagten vorgeworfen?
Den meisten der insgesamt 26 Angeklagten werden Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Waffendelikten und die Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens vorgeworfen.
Am Montag stehen Markus H., Matthias H., Marco van H., Markus L., Andreas M., Alexander Q., Ralf S., Wolfram S. und Steffen W. in Stuttgart vor Gericht. Die meisten sollen dem militärischen Arm angehört haben, mehrere sollen sich am Aufbau der Heimatschutzkompanien beteiligt und versucht haben, weitere Mitglieder anzuwerben.
Zwei weitere Prozesse sollen am 21. Mai in Frankfurt und am 18. Juni in München beginnen.