Rechtsanwälte in Schulen
Drohungen: "Kinder glauben, man kann sich freikaufen"
Ein Projekt der Wiener Rechtsanwaltskammer und Bildungsdirektion schickt Anwälte in Schulen. Dabei hören die Juristen oft spektakuläre Theorien.
Das Projekt, welches sich an die 7. bis 9. Schulstufe richtet, soll Jugendliche zu Beginn ihrer Strafmündigkeit zu verschiedene Delikten aufklären. Denn viele sind sich oft nicht bewusst, dass sie eine potenzielle Straftat begehen.
Wissbegierig, aber gefährliches Halbwissen
In vielen Schulen geht es immer brutaler zu. Egal ob Amokdrohungen, Mobbing oder andere Gewaltausbrüche. Alleine im vergangenen Schuljahr gab es 814 Suspendierungen, die meisten davon betreffen Mittelschulen. Mit Projekten wie eben jenem der Wiener Rechtsanwälte will man solche Vorfälle eindämmen.
„Es existiert teils gefährliches Halb- bis Nichtwissen.“
Im Zuge des Projekts kommen Rechtsanwälte in Wiener Mittelschulen und halten Vorträge in den Schulklassen. Eine von ihnen ist Graciela Faffelberger, die letztes Jahr einen Vortrag in der MS Kopp2 in Wien-Ottakring gehalten. Die Kinder seien zwar sehr wissbegierig, hätten aber oft gefährliches Halbwissen, erzählt sie.
"Meine Eltern zahlen das schon"
"Ein Schüler hat etwa ganz selbstverständlich gemeint 'Naja, wenn ich was anstelle und vor Gericht lande, dann kann ich mich ja einfach freikaufen. Meine Eltern zahlen das schon und dann muss ich nicht ins Gefängnis", erzählt Faffelberger. Sie hat zwar versucht, herauszufinden, wie der Schüler auf diese Idee kam, ob er etwa eine Diversion oder ein Schmerzensgeld meinte – so richtig aufklären konnte sie das Rätsel aber nicht. Viele Einschätzungen kämen aber aus fiktiven Darstellungen, etwa Gangsterserien, meint sie.
Auch das Handy sei aus den Klassenräumen nicht mehr wegzudenken. Das birgt aber eine weitere potenzielle Quelle für Straftaten. Viele Jugendliche seien in Chatforen unterwegs. "Die erzählen mir dann, sie seien dort ganz anonym und deshalb könne nichts passieren", schildert die Rechtsanwältin. Viele Jugendliche wissen nicht, wie schnell sie sich schon strafbar machen können – gerade (Cyber-)Mobbing und Hass im Netz seien ein großes Thema, weil die Delikte oft nicht als solche wahrgenommen werden.
Bisher rund 30.000 teilnehmende Schüler
Weil das oft nicht einmal die Eltern wissen, wendet man sich heuer auch erstmals an diese. In einem mehrsprachigen Brief wird erklärt, ab wann die Jugendlichen strafbar sind, welche Arten von Strafen es gibt und welche Art von Delikten oftmals nicht als solche wahrgenommen werden.
Bisher haben rund 30.000 Schüler an der Aktion teilgenommen. 2024 geht es von April bis Ende Juni weiter. Anmelden kann man sich über die Bildungsdirektion, dann bekommt man von der Rechtsanwaltskammer einen Vortragenden zur Seite gestellt. Bisher haben sich schon 35 Schulen mit 122 Klassen angemeldet.