Nouriel Roubini
"Dr. Doom" spricht im ORF schon von neuem Finanzcrash
Der Wirtschaftsexperte hatte den Crash 2008 korrekt vorhergesagt, jetzt steuert der US-Aktienmarkt möglicherweise auf eine neue Blase zu.
Der Kampf um das Weiße Haus wird auch mit Wirtschaftsthemen ausgetragen. Präsident Joe Biden verweist im Wahlkampf auf die florierende Wirtschaft, deren Erfolg er auch mit massiven staatlichen Investitionen in die Infrastruktur erkaufen konnte. Währenddessen bläst Donald Trump von den Republikanern ins völlig konträre Horn, sieht die US-Wirtschaft am Boden liegen. Sein propagierter Ausweg: Strafzölle auf Importe, etwa aus der EU oder China.
Doch welcher dieser beiden völlig unterschiedlichen Konkurrenten wird das Rennen machen? Dazu wagte Nouriel Roubini, amerikanischer Nationalökonom und Berater von Notenbanken und Regierungen, in der ZIB2 eine vorsichtige Prognose.
Der emeritierte Wirtschaftsprofessor hatte als einer der wenigen die Finanzkrise 2008 kommen sehen. Seine düsteren, aber korrekten Vorhersagen brachten ihm bald den Spitznamen "Dr. Doom" ein.
Trump-Pläne für Volk "nicht besser"
Auch er betont, dass die US-Wirtschaft dank der Biden-Politik gerade mehr als brummt: Die Aktienmärkte etwa seien auf einem Allzeithoch. "Ich weiß nicht, ob die Wähler glauben, dass sie unter Trump besser lägen." Die vom MAGA-Chefpolterer angesagte Wirtschaftspolitik sei "für den Durchschnittsamerikaner nicht besser".
Zu der Zolldrohung sagt er: "Das ist eine Steuer, die da erhoben wird. Eine Steuer auf Konsumenten und Menschen mit niedrigem Einkommen. Das sind Menschen, die beispielsweise billige Produkte aus China kaufen."
Bürger schauen nur aufs Preisschild
Doch warum schafft Biden es dann nicht, seinen wirtschaftlichen Erfolg auch an das Wahlvolk zu verkaufen? Roubini sieht eine tiefe Spaltung im Land: "Viele Wähler sind Republikaner, die meinen, dass sie mit der Wirtschaft nicht zufrieden sind, selbst wenn diese brummt." Die Republikaner würden einfach aus Prinzip vorlügen, dass die Wirtschaft nicht floriere.
Das Grundproblem ist aber, dass die Preise in absoluten Zahlen durch die Inflation jetzt höher sind als zu Bidens Amtsantritt. Das ist im kollektiven Gedächtnis eingebrannt, wird von seinen Gegnern immens ausgeschlachtet. Dabei, so der Wirtschaftsexperte, sei die Inflation im Sinkflug, Löhne und Gehälter würden steigen. Obwohl den Bürgern dadurch real mehr im Börserl bleibe , würden diese nur die gestiegenen Preise sehen.
Punkto Leitzinsen erwartet er eine Senkung um 25 Basispunkte durch die US-Notenbank Fed "höchstwahrscheinlich im Juni" samt zwei weiteren folgenden Senkungen. Die USA stünden aber derzeit vor der paradoxen Situation, dass es trotz hoher Zinsen eine gute Konjunktur gebe. Möglicherweise könnte die Fed deshalb auch noch etwas zuwarten.
Europa hinkt hinterher
Auch in Europa rechnet er um eine Herabstufung der Leitzinsen durch die EZB, obwohl das Wirtschaftswachstum in der Eurozone "enttäuschend" ist. Roubini schätzt, dass es ab Juni zu vier Senkungen kommen wird: "Das wird die EZB wahrscheinlich machen".
Europa gerate gegenüber den USA oder auch Indien wirtschaftlich ins Hintertreffen. Zwar gebe es noch einige Branchenvorteile wie die Autobauer in Deutschland, doch müsse der alte Kontinent mehr in Innovation investieren. In Zukunft werde HighTech noch wichtiger und Europa da hinterherhinken.
Finanzblase voraus?
Kommt der nächste Crash? "Dr. Doom" sieht dieses Damokles-Schwert bereits über den USA hängen: "Der amerikanische Aktienmarkt ist heute erhitzt. Wenn die Aktienkurse noch mehr steigen, könnte es zu einer Korrektur kommen." Und damit zu einem Fall der Kurse ins Bodenlose.
Die Niederlage von Trump im letzten Wahlgang hatte Roubini noch korrekt vorhergesagt. Doch wie schaut es heute aus, was sagt das "Orakel" zur kommenden Entscheidung? "Die ehrliche Antwort: Man kann es nicht sagen. Es steht 50:50." Aufgrund der Wirtschaftslage rechnet er Biden aber gute Chancen aus.