"Heute"-Kommentar

Doskozil, Babler: Was hinter dem neuem SPÖ-Zwist steckt

Bei der Erstellung für die EU-Wahlliste wurde das Burgenland ausgebootet. Eine bewusste Inszenierung vermuten einige. Über Sinn und Unsinn der Aktion.

Christian Nusser
Doskozil, Babler: Was hinter dem neuem SPÖ-Zwist steckt
Wissen, was ist – eine Kolumne von Dr. Christian Nusser
Helmut Graf, Grafik "Heute"

Auch bitter! Da probierst du es einmal mit einem neuen Algorithmus, um Excel bei den Hörnern zu packen, und wieder spielen die Zahlen Bauernarsch mit dir. Die große Welt dreht sich derzeit um den Krieg im Nahen Osten und den Krieg vor unserer Haustür, die kleine Welt Österreich aber widmet sich lieber regionalen Scharmützeln, das allerdings mit Inbrunst. Neue Hofwochen bei der SPÖ.

Die Sozialdemokratie war in den letzten Jahren am brillantesten in Wahlkämpfen gegen sich selbst. Unter der neuen Führung scheint die Partei nun wild entschlossen, diesen Weg ins Glück weiter zu beschreiten. Dafür wird keine Gelegenheit ausgelassen, nicht einmal die EU-Wahl 2024, die Parteien momentan so elektrisiert wie ein Stück altes Brot.

Alles vorher ausgepackelt

Die Erstellung von Kandidatenlisten für Wahlen ist an sich ein trivialer Vorgang. Für die Spitze suchst du Leute mit Sieger-Gen, oder wer gerade Zeit hat. Dahinter gilt es, möglichst die Gesamtheit der Partei abzubilden – Länder, Parteiorganisationen, die Plätze fair zwischen Männern und Frauen verteilt. Ungereimtheiten werden in den Gremien und fernab davon ausdiskutiert, dafür steht alle Zeit der Welt zur Verfügung. Nicht so die SPÖ. Die macht das seit fünf Jahren mit einer Formel, lernen wir: = SUM (C3; E3; G3)/3.

Für die Reihung auf Wahllisten spielen drei Parameter eine Rolle: Stärke der Landespartei, Geschlecht, zentrale Notwendigkeit. Bei diesem Algorithmusspiel kam Doskozilanien beim Bundesparteivorstand am Montag unter die Räder. Nach der Formel wäre dem Burgenland Listenplatz 5 zugestanden, Norbert Darabos dafür vorgesehen gewesen. Die Bundespartei entschied anders: "Zentrale Notwendigkeit". Blieb Platz 6. Ein Kampfmandat, aber soll sein.

Weil der Kandidat auf Platz 5 zwar Heide heißt, dies aber sein Nachname und der Vorname Hannes ist, es sich bei ihm also unbestritten um einen Mann handelt, musste für Platz 6 eine Frau her. Die wollte das Burgenland beistellen, dem Vernehmen nach Verena Dunst. Zu spät, sagte die Bundespartei. "Zentrale Notwendigkeit", schon vergeben an Claudia Arpa, Kärnten, vorher ausgepackelt, zwischen wem auch immer. Platz 7 also für Doskozilanien, eine Zählstelle, ohne Chance auf Wählbarkeit (Mehr dazu hier).

Besser schlechte Berichterstattung als gar keine?

Alles wieder da, der Konflikt zwischen Bundespartei und Burgenland, frisch geduscht aus der Wanne entstiegen als alles halbwegs in trockenen Tüchern schien. Die Partei erneut nackt ausgezogen, diesmal aber vielleicht in Form einer bewusst herbeigeführten Inszenierung? Um klare Fronten zu schaffen? Ein Machtspiel? Auch diese Erzählweise existiert in der SPÖ.

Hans Peter Doskozil soll in der Partei zum Reibebaum aufgebaut werden. Der böse Bub, ein Spalter, verantwortlich fürs Siechtum. Die Sichtweise könnte dem neuen SPÖ-Chef Andreas Babler helfen. Intern, um Stärke zu zeigen, sich als Nr. 1 zu profilieren, Freund und Feind benennen zu können. Extern, um medial mehr in Erscheinung zu treten. Bablers "Millionärssteuer", die 100 Millionen Euro pro Woche bringen soll, blieb zuletzt Randnotiz, der Streit mit Doskozilanien katapultiert die Roten flächendeckend in die Berichterstattung zurück. Eine verwegene These, aber sie wird herumerzählt und auch das sagt einiges aus über die SPÖ.

Am Mittwoch dann der burgenländische Landesparteivorstand, Doskozil frisch aus den USA zurück. Sein Presseauftritt wie ein Lehrstück, wie Politik zwischen den Zeilen gelesen werden muss. Der eigenen Partei unterstellte der burgenländische Landeshauptmann – indirekt, aber sehr direkt – Unredlichkeit, Kungelei, Bildung von Seilschaften, keine Handschlagqualität zu besitzen, Regeln zu brechen, mangelnde Größe, Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit. Ohne Garantie auf Vollständigkeit.

Was bleibt? Neue Verwerfungen. Für die SPÖ die Erkenntnis, im Burgenland eine Partei in der Partei zu besitzen, eine wie es in Deutschland die CSU für die CDU ist, eine mit viel Eigenleben. Doskozil bekundete, "nicht in einen Konflikt mit der Bundespartei eintreten zu wollen", tatsächlich ist er schon mittendrin. Am Bundesparteitag ab 11. November wird er der Elefant im Raum sein, der nicht da ist. Natürlich wird er die SPÖ im EU-Wahlkampf unterstützen, wie er verspricht, aber eigenen Kandidaten stellt er keinen mehr dafür auf. Und es ist nicht davon auszugehen, dass Doskozil das Burgenland mit Plakaten von Andreas Schieder zukleistern lässt.

Als Partei ist die SPÖ ziemlich bio. Ihre Konflikte sind nachhaltig.

cnn
Akt.
Mehr zum Thema