Radikalkur
Dollar statt Peso – so will Milei Argentinien retten
Mit der Dollarisierung will der künftige Präsident Argentiniens das wirtschaftliche Ruder herumreißen. Kann eine neue Währung die Probleme lösen?
Der neu gewählte argentinische Präsident Javier Milei will dem krisengeplagten Land eine Radikalkur verordnen. Neben einer massiven Kürzung der Sozialausgaben und der Abschaffung der Zentralbank gehört die Einführung des US-Dollars als gesetzliches Zahlungsmittel zu den Eckpfeilern seines wirtschaftspolitischen Programms. "Wir werden die Wirtschaft dollarisieren. Wir werden die Zentralbank schließen. Wir werden den Krebs der Inflation besiegen", versprach der ultraliberale Populist in einer TV-Debatte vor der Wahl.
Was sind die Vorteile und Nachteile einer Dollar-Einführung?
Argentinien leidet unter einer Inflationsrate von derzeit über 140 Prozent. Um das Haushaltsdefizit trotz Entwertung der Währung zu finanzieren, druckt die Regierung ständig neues Geld, was die Teuerung weiter befeuert. Das wäre mit dem Dollar als offiziellem Zahlungsmittel nicht mehr möglich, argumentiert Milei. Eine Dollarisierung würde nach Einschätzung der Befürworter den Argentiniern eine wertstabile Währung an die Hand geben. Allerdings könnte das Land dann auch nicht mehr geldpolitisch auf externe Schocks reagieren und beispielsweise den Peso als Landeswährung abwerten, um sich Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt zu verschaffen.
Robin Brooks, Chefökonom beim Institute of International Finance, hält von der Dollarisierung als finanzpolitisches Instrument wenig: "Die Dollarisierung ist wie eine Zwangsjacke. Sie macht den Patienten unbeweglich, aber sie heilt nichts", schreibt er auf X. Das große Defizit in der Handelsbilanz Argentiniens lasse sich nicht über die Dollarisierung lösen.
Wie würde eine Dollar-Einführung in Argentinien aussehen?
Um den US-Dollar in Argentinien als gesetzliches Zahlungsmittel einzuführen, müsste der Kongress ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Allerdings verfügt Mileis Partei La Libertad Avanza (Die Freiheit schreitet voran) in keiner der beiden Kammern über eine eigene Mehrheit. Für sein Projekt müsste der künftige Präsident also Abgeordnete anderer Parteien mit ins Boot holen. Außerdem würde Argentinien für die Währungsreform nach Einschätzung von Experten etwa 35 Milliarden US-Dollar benötigen, um die zirkulierenden Pesos zu ersetzen. Allerdings verfügt die Zentralbank derzeit nur über geringe Devisenreserven und ist wegen der hohen Verschuldung und desolaten Wirtschaftslage vom regulären Finanzmarkt weitgehend abgeschnitten.
Dabei dürfte es für viele Abgeordnete wenig populär sein, den Peso, der auch ein Symbol nationaler Zugehörigkeit ist, aufzugeben – insbesondere zugunsten der Währungen eines anderen Landes. Politischer Widerstand ist darum so gut wie sicher und wird wahrscheinlich stark sein.
Welche Rolle spielt der Dollar derzeit in Argentinien?
Andererseits spielt bereits jetzt der Dollar im Leben vieler Argentinier eine wichtige Rolle. Da die Inflation die Ersparnisse in Pesos innerhalb kürzester Zeit auffressen würde, legen etliche Argentinier jeden überschüssigen Peso in Dollars an. In keinem anderen Land der Welt außerhalb der USA sind so viele Dollarnoten im Umlauf wie in Argentinien. Schätzungen zufolge besitzen die Argentinier 200 Milliarden US-Dollar in bar. Das sind zehn Prozent aller im Umlauf befindlichen Dollar-Scheine weltweit – und 20 Prozent aller Dollar außerhalb der Vereinigten Staaten.
Was sagen Experten zu Mileis Dollarisierungsplänen?
Die Einführung des Dollars in Argentinien ist unter Experten umstritten. "Die Dollarisierung ist wünschenswert und umsetzbar", sagte der US-Ökonom Steve Hanke von der Johns Hopkins University kürzlich bei einer Konferenz in Buenos Aires. Claudio Caprarulo vom Beratungsunternehmen Analytica hingegen warnt vor hohen sozialen Kosten. "Die Dollarisierung verschärft die Probleme, statt sie zu lösen", schrieb er zuletzt auf der Nachrichtenplattform X, ehemals Twitter. Er warnte vor sinkenden Löhnen, steigender Arbeitslosigkeit und geringerem geldpolitischen Handlungsspielraum.
Auch Robin Brooks findet klare Worte. Dass Argentinien keine landwirtschaftliche Supermacht wie Brasilien sei, liege an der chronischen Misswirtschaft. "Nur langsame und stetige (und schmerzhafte) Reformen werden das Problem lösen, nicht die Dollarisierung", schreibt Brooks auf X. Argentinien brauche "Realismus, kein Wundermittel".