Experte klärt auf
Diesen Menschen droht wegen Öffi-Chaos die Kündigung
Wer nicht auf andere Öffis oder den eigenen Pkw umsteigen kann, droht angesichts des Öffi-Chaos im Tullnerfeld sogar der Verlust der Arbeitsstelle.
Angesichts des anhaltenden Öffi-Chaos – speziell im Nahbereich um den Bahnhof Tullnerfeld, der für die kommenden Monate gesperrt bleiben muss – ergeben sich zahlreiche arbeitsrechtliche Fragen. Diese beantwortete Jurist Martin Gruber-Risak von der Universität Wien am Donnerstag im ORF-Radio Ö1.
Komme jemand nicht an die Arbeitsstätte, weil der Zug nicht fahre, sei das eine Dienstverhinderung. Allgemein gesprochen liege eine Dienstverhinderung, die eine Entgeltfortzahlung auslöst, immer dann vor, wenn die Arbeitsleistung unterbleibt aus Gründen, die dem Dienstnehmer zuzurechnen sind, dieser die aber nicht verschuldet hat. Allerdings sind Arbeitnehmer dazu verpflichtet, alles Zumutbare zu unternehmen, um die Arbeitsleistung zu erbringen.
Arbeitnehmer müssen Zumutbares unternehmen
Das bedeutet im konkreten Fall etwa den Umstieg von Massentransportmittel auf den Individualverkehr. Auch die Inanspruchnahme einer anderen Route könne zumutbar sein. Dann sei noch die Frage zu klären, wie viel mehr Wegzeit für Betroffene zumutbar ist. Das Problem: Es gibt keine klar definierten Grenzen; zu berücksichtigen sei die Frage, wie lange man davor für den Arbeitsweg gebraucht hat und was nun hinzukommt. Grundsätzlich sei dem Arbeitgeber überhaupt nicht zurechenbar, ob eine Arbeitsstätte gut oder schlecht erreichbar sei.
Der Experte verweist aber auf eine Klausel im Arbeitslosenversicherungsgesetz. Dort ist geregelt, dass man eine Vollzeit-Tätigkeit jedenfalls annehmen muss, wenn sich das Pendeln für Hin- und Rückfahrt pro Tag auf zwei Stunden belaufe. "Das kann man als Referenz heranziehen".
Ärger für Pendler: Weiter Probleme auf der Westbahnstrecke
Im schlimmsten Fall ist der Job weg
Besitze man weder einen Führerschein noch ein Fahrzeug, dann habe man ein Problem. "Dann ist mir die Arbeitsleistung unmöglich, was im Ergebnis bedeutet, wenn ich keine Alternative habe, dann wird mir wohl die Beendigung des Arbeitsverhältnisses drohen, um es ganz hart auszudrücken", schildert Gruber-Risak. Denn im konkreten Fall sei es Arbeitgebern auch nicht zumutbar zu warten, bis die neue Weststrecke wieder verfügbar ist, um ihren Mitarbeiter einzusetzen.
Einen gesetzlichen Anspruch auf Home-Office – für Tätigkeiten, wo ein solches grundsätzlich möglich ist – gibt es in Österreich übrigens nicht. Selbst in der Corona-Hochphase habe man sich darauf geeinigt, ein solches lediglich auf freiwilliger Basis zu ermöglichen. Grundsätzlich sei es Verhandlungssache. Allerdings: Kündigt ein Unternehmen einen Mitarbeiter, obwohl Home-Office grundsätzlich möglich und absehbar sei, dass dieses nur vorübergehend notwendig sei, sei es denkbar, dass dieses auch gewährt hätte werden müssen.
Arbeiterkammer als Anlaufstelle
Was ist eigentlich, wenn das Kind nicht in die Schule kommt? Darf dann ein Elternteil zu Hause bleiben und sich auf die Betreuungspflichten berufen. Grundsätzlich ja, so der Experte. Aber auch hier komme es darauf an, wie alt das Kind ist und ob es andere Betreuungsmöglichkeiten – etwa durch Großeltern – gebe. Als Grenze gilt hier grob das Alter von 12 Jahren.
Um alle Eventualitäten zu klären, lohnt ein Gespräch mit dem Arbeitgeber. Erzielt man hier keine Einigung, können sich Betroffene aber stets an die Arbeiterkammer wenden, so Gruber-Risak abschließend.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Angesichts des anhaltenden Öffi-Chaos um den Bahnhof Tullnerfeld, der für Monate gesperrt bleibt, beantwortete Jurist Martin Gruber-Risak arbeitsrechtliche Fragen im ORF-Radio Ö1
- Er erklärte, dass Dienstverhinderungen, die eine Entgeltfortzahlung auslösen, vorliegen, wenn die Arbeitsleistung aus unverschuldeten Gründen unterbleibt, und betonte die Verpflichtung der Arbeitnehmer, zumutbare Alternativen wie den Individualverkehr zu nutzen