Würmer, Schnecken, Milben
Diese Tiere tummeln sich in Wiens Grundwasser
Ein Team um den Ökologen Christian Griebler zeichnete die erste "Landkarte der Wiener Grundwasser-Tierwelt". Sie trotzen widrigen Lebensumständen.
Forscher haben im Wiener Grundwasser jetzt überraschend viele Tierchen gefunden. Knapp hundert verschiedene Arten sollen es laut dem Ökologen Christian Griebler sein. Die Vielfalt an Krebstierchen, Würmern, Schnecken und Milben würde im nassen Untergrund der Stadt widrigen Lebensumständen wie Hitze, Verschmutzung und Sauerstoffmangel trotzen.
Allerdings würden Tiere in vielen Gebieten unter Wien nicht überleben können, sagt der am Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie der Universität Wien tätige Forscher. Das würde daran liegen, dass etwa ein Drittel des Wiener Grundwassers für die Tiere schädliche Verunreinigungen enthaltet. Darunter das Schwermetall Mangan, Methangas und Schwefelwasserstoff aus undichten Abwasser-Leitungen oder einfach keinen lebenswichtigen Sauerstoff.
Möglicherweise einzigartige Arten
Das Team um Griebler zählte alleine fünfzig Arten von Kleinkrebsen, wie Flohkrebse, Asseln, Muschelkrebse, Brunnenkrebse und Hüpferlinge. Außerdem wurden Gliederwürmer, Fadenwürmer und Strudelwürmer sowie Schnecken und Milben im Wasser unter der Stadt entdeckt. "Es wurden für die Wissenschaft völlig neue Arten gefunden und sogenannte endemische Arten, die mutmaßlich nur in Wien leben", erklärte er. Die genaue Zahl der Tierarten wisse man erst, wenn jeder einzelne Fund von Experten eindeutig identifiziert sei.
Der Großteil dieser Tierchen lebt ausschließlich in der Finsternis unter der Stadt und hat sich vollständig daran angepasst. Sie haben dann weder Augen noch Farbeinlagerungen, sind also durchsichtig und blind. Weil es hier weniger Nahrungsmittel gibt, haben die Bewohner außerdem einen langsameren Stoffwechsel, werden teils erst nach mehreren Jahren geschlechtsreif und zeugen oft nur wenige Nachkommen. Manche Tiere bewohnen das Grundwasser wiederum nur zeitweise als Jugendliche oder Larven, wie etwa Steinfliegen. Zum Schlüpfen müssen sie aus dem Untergrund auftauchen.
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Viele Tiere unter der Innenstadt
Spannend ist auch die Verteilung der Vielfalt. So sei die Innenstadt zum Beispiel reichlich belebt. "Im ersten Wiener Gemeindebezirk ist die Belastung durch Abwässer zwar hoch, aber es gibt genügend Sauerstoff, um vielen Organismen eine Lebensgrundlage zu gewähren", so Griebler.
Im Grundwasser zwischen dem Entlastungsgerinne und der Alten Donau, sowie im Bereich des Ölhafens hätte man hingegen kaum Tiere gefunden, weil der Lebensraum fast durchgehend sauerstofffrei sei. Das liege womöglich daran, dass beim Bau der Donauinsel viel undurchlässiger Auboden dorthin verfrachtet wurde. "Auch das Kraftwerk Freudenau hat sicherlich einen Einfluss, indem dadurch feine Sedimente verfrachtet werden, die Lücken zustopfen."
Außerdem brauchen die Tierchen niedrige Temperaturen von maximal zwanzig Grad Celsius. Durch den Klimawandel, Fernwärmeleitungen und die Nutzung von Erdwärmesystemen als Klimaanlagen im Sommer sind diese jedoch auch im Grundwasser am Steigen. "Im vermeintlich kühlen Untergrund wurden in den vergangenen Jahren bereits Temperaturen bis zu dreißig Grad Celsius gemessen", so Griebler.
Auf den Punkt gebracht
- Ein Team um den Ökologen Christian Griebler hat die erste "Landkarte der Wiener Grundwasser-Tierwelt" erstellt und dabei knapp hundert verschiedene Arten entdeckt, die trotz widriger Lebensumstände wie Hitze, Verschmutzung und Sauerstoffmangel im nassen Untergrund der Stadt überleben
- Allerdings sind viele Gebiete aufgrund schädlicher Verunreinigungen für diese Tiere unbewohnbar, und die steigenden Temperaturen durch den Klimawandel und menschliche Aktivitäten verschärfen die Situation weiter