Ukraine
Diese Drohne ist ein Alptraum und stellt Russen bloß
Türkische Billig-Drohnen spielen bei der Verteidigung der Ukraine eine zentrale Rolle. Experten zeigen sich verblüfft über die Stärke der "Bayraktar".
Seit drei Wochen verteidigt die Ukraine ihre Städte nun schon gegen die russischen Angriffstruppen. Dabei spielen Drohnen aus türkischer Produktion eine wesentliche Rolle. Die relativ simplen und günstigen Drohnen können blitzartige Attacken auf die russischen Angriffstruppen ausführen und überraschen mit ihrer Effektivität zahlreiche westliche Militärexperten. "Bayraktar TB2" heißen die unbemannten Luftfahrzeuge. Bestückt sind sie mit leichtgewichtigen, lasergelenkten Bomben.
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In der Frühphase des Ukraine-Konflikts hätten die Drohnen unerwartet erfolgreiche Angriffe ausgeführt, noch ehe russische Kräfte in der Lage gewesen wären, ihre Luftabwehr auf dem Schlachtfeld aufzubauen, sagt Jack Watling von der Forschungseinrichtung Royal United Services Institute mit Sitz in London.
Dabei sollten die TB2-Drohnen eigentlich keine besondere Wirkung erzielen, da es sich um langsam fliegende Luftfahrzeuge für mittlere Flughöhen handle, die zudem leicht über Radar zu orten sind, so Watling. Er erklärt: "Die Russen haben sehr leistungsfähige Luftabwehrsysteme, sodass die Drohnen abgeschossen werden müssten." Wenn sich die russischen Truppen also über Zeit besser organisieren und ihre Luftabwehr in Stellung bringen, wird der Einsatz-Spielraum und die Effektivität der Drohnen also nachlassen.
Auch für den Drohnen-Experten David Hambling ist es verblüffend zu sehen, wie die Bayraktars russische Militäreinheiten außer Gefecht setzen können, sagte er gegenüber NBC News. Dabei sollte es laut Hambling für das russische Militär ein Leichtes sein, die Drohnen zu entschärfen: "Es ist buchstäblich wie ein Flugzeug aus dem Ersten Weltkrieg, was die Leistung angeht. Es hat 110 PS", sagt er und fügt an: "Es ist eine Tontaube – ein wirklich einfaches Ziel." Dabei handelt es sich um ein weiteres Indiz dafür, dass Militärexperten und Russland selbst die Fähigkeiten des russischen Militärs überschätzt haben.
Auf Twitter wird die Effektivität der türkischen Drohnen ebenfalls gefeiert. So kursieren zahlreiche Videos, auf denen zu sehen ist, wie die Bayraktar-Drohnen russische Panzer zerstören. Sogar der ukrainische Botschafter in der Türkei, Wasyl Bodnar, teilte ein solches Video.
Aaron Stein, der Forschungsdirektor am Foreign Policy Research Institute in den USA, erklärt: "Die Videos haben die Leute in Verzückung versetzt, weil sie einen Luftangriff in hoher Auflösung zeigen." Für ihn sind die Aufnahmen deshalb auch für die "Propaganda-Seite" des Krieges wichtig.
Sogar ein "Bayraktar"-Lied gibt es inzwischen mit Beats, die rhythmisch mit dem Geräusch von Explosionen zusammenfallen. Es wurde bei YouTube hochgeladen und wird im ukrainischen Radio gespielt.
Überraschende Rolle Erdogans
Der russische Präsident Wladimir Putin dürfte nicht erfreut darüber sein, dass es ausgerechnet türkische Militärtechnologie ist, die ihm und seiner Armee bei der Invasion der Ukraine so große Schwierigkeiten bereitet. Schließlich pflegten Putin und der türkische Präsident Erdogan ein gutes und enges Verhältnis. Besonders brisant: Die Drohnen werden vom türkischen Rüstungsunternehmen Baykar produziert, das der Familie von Selcuk Bayraktar gehört. Dieser ist der Schwiegersohn von Recep Erdogan.
Das Verhältnis der beiden Staatschefs scheint in der letzten Zeit ohnehin zu bröckeln: So hatte Erdogan Putin wiederholt zur Waffenruhe aufgerufen. Gleichzeitig versuchte die Türkei eine Vermittlerrolle zwischen Russland und der Ukraine einzunehmen, beispielsweise als sie die jeweiligen Außenminister Sergej Lawrow und Dmytro Kuleba zu Friedensgesprächen nach Antalya einlud.
Über Details rund um die Drohnenverkäufe an Kiew halten sich türkische Regierungsvertreter bedeckt. Wie viele Fluggeräte im Einsatz sind und ob es Nachschub für die Ukraine gibt, ist also unklar. Unabhängige Schätzungen gehen von 20 bis 50 Drohnen vom Typ Bayraktar in der Ukraine aus. Sie sollen pro Stück unter zwei Millionen Dollar kosten und sind damit vergleichsweise billig.
Militärexperte Aaron Stein findet, dass die günstigen Drohnen eine anhaltende Wirkung auf die Kriegsführung als nützliches Werkzeug der Zermürbung haben dürften: "Ich nenne es den Toyota Corolla der Drohnen. Es macht nicht alles, was dein Luxus-Sportauto macht, aber 80 Prozent davon, nicht wahr?"