Erfinder der Null-Euro-Brille
Die Top fünf Lektionen von Brillen-König Fielmann
Günther Fielmann hat als "Jahrhundert-Unternehmer" die Branche verändert. Hier gibt es fünf Lektionen, die über das Geschäft mit Brillen hinausgehen.
Spätestens seit Einführung des Werbeslogans "Brille? Fielmann!" verbindet seinen Namen quasi jeder mit Brillen. Im Jahr 1972 eröffnete Günther Fielmann das erste kleine Optiker-Geschäft. Dort präsentierte er in moderner Manier seine Brillen-Gestelle, die das Design und die Kundenwünsche ins Zentrum stellten. Daraus entwickelte sich eine riesige Erfolgsgeschichte, die den Optiker zum Milliardär machte.
Am Donnerstag starb der Optik-Unternehmer Günther Fielmann im Alter von 84 Jahren in Deutschland. Er hinterlässt zwei Kinder, ein in kerngesundes Firmenimperium und laut Forbes-Reichenliste ein Vermögen von knapp sechs Milliarden US-Dollar.
Drittgrößter Optiker der Welt
Die "Fielmann Group" ist laut eigenen Angaben mit mehr als 1000 Filialen der Marktführer in Zentraleuropa und das drittgrösste Unternehmen der augenoptischen Branche weltweit! Insgesamt arbeiten für Fielmann mehr als 23’000 Mitarbeitende in Europa, Asien und in den USA. Heißt: Eine weitere Hinterlassenschaft des Patrons von der deutschen Nordseeküste sind einige Lektionen, von der die ganze Geschäftswelt profitieren kann.
Unvergessen: Nach dem Rückzug von der Unternehmensspitze im Jahr 2019, widmete sich Fielmann der Öko-Landwirtschaft. In mehreren Betrieben züchtete er Pferde, Rinder und Schafe. "Das Leben auf dem Land hat mich geprägt", sagte er in einem Buch zu seinem 75. Geburtstag. Am 2. Advent lud er die Öffentlichkeit traditionell nach Gut Schierensee bei Kiel ein - zum "Gottesdienst im Rinderstall".
Tipp 1: Keine Angst vor vertaubten Branchen!
Als Fielmann 1972 ins Brillengeschäft einstieg, fand er eine festgefahrene Branche vor. Entweder waren die Brillen ein teures Luxusgut für eine kleine Zielgruppe – oder Krankenkassen-finanzierte und unmodische Standardmodelle. Fielmann wollte sich nicht für eines der beiden entscheiden, sass mit den Krankenkassen zusammen und erarbeitete insgesamt 90 Modelle in 640 Varianten.
Diese wesentlich attraktiveren Brillen wurden weiterhin (zumindest teilweise) von den Kassen finanziert, was Fielmann ermöglichte, die "Brille zum Nulltarif" anzubieten. Der Kunde profitiert, Fielmann profitiert, die Versicherung profitiert. Nur die Konkurrenz litt – und versuchte immer wieder, juristisch gegen das Angebot vorzugehen.
Tipp 2: Kreativität in der Werbung zahlt sich aus
In Deutschland hat Fielmann eine Markenbekanntheit von fast 98 Prozent. In der Österreich dürfte sie nicht wesentlich tiefer sein. Wie schafft man das, mit einem eigentlich unspektakulären Alltagsprodukt? Ganz einfach: Werbung! Die Fielmann-Slogans und -Spots sind wohl noch bekannter als das Business selbst. Die witzigen Werbespots wurden oft von Günther Fielmann persönlich ausgedacht. Die Kult-Werbung "Ich würde von Anfang an meine Brille bei Fielmann kaufen" stammt etwa vom Gründer. Daneben setzte das Unternehmen auch auf simple Befragungen von Kunden auf der Straße. Die Überlegung: Was gut ist, ist gut. So kann man sich auch leisten, die Kundschaft ad hoc sprechen zu lassen.
Tipp 3: "Der Kunde bist du"
Für Fielmann war von Anfang an klar: Der Kunde ist König. Oder eben "der Kunde bist du". Mit extremer Kundenorientierung sollte das Produkt zum Service werden. Die Devise: Jeder Mitarbeitende muss Kunden so beraten, als würden sie sich selbst, die Eltern oder die Freunde beraten. Dies wurde dejn Angestellten in zentralen Schulungen so eingebläut.
Seit 1981 gibt es beim Brillen-Riesen gar eine Zufriedenheitsgarantie. Ist ein Kunde unzufrieden, kriegt er sein Geld zurück oder kann das Modell austauschen. Seit 1982 kriegt die Kundschaft sogar ihr Geld zurück, wenn sie ein Markenbrillengestell in einem anderen Laden günstiger findet.
Tipp 4: (Achtung, BWL-Begriff): Vertikale Integration
So verstaubt die Brillenindustrie, so verstaubt der Begriff "Vertikale Integration". Das Konzept ist aber relativ einfach: Es bedeutet, möglichst viele Produktionsschritte der Wertschöpfungskette in die Firma zu integrieren.
Dies tat Fielmann beispielhaft: Während die Konkurrenz vom Designer, über Hersteller bis hin zum Großhandel einen Großteil der Wertschöpfung ausgelagert hat, hat Fielmann große Teile davon integriert. Für Fielmann heißt das logistische Entlastung. Für den Kunden bedeutet das: Höhere Qualität und ein tieferer Preis. Verstärkt durch Erfolg und damit verbundene Skaleneffekte (mehr Volumen gleich tieferer Preis) profitiert die Kundschaft umso mehr.
Tipp 5: Langfristiges Denken lohnt sich
Fielmann rechnete mit einem großzügigen Zeithorizont. Das erlaubte dem "Jahrhundert-Unternehmer" drei zentrale Vorteile gegenüber der Konkurrenz. Erstens: Durch Ausbildung und Anbindung von Mitarbeitenden können Talent lange gehalten werden. Zweitens: Durch Mitarbeiterbeteiligung wird Engagement und Verbleib im Unternehmen gezielt gefördert. Rund 80 Prozent der Mitarbeitenden halten Aktien des Unternehmens. Drittens: Die aufgebaute und bestätigte Kundenzufriedenheit sorgt für hohe Wiederkauf- und Weiterempfehlungsquoten, die Leute bleiben bei Fielmann und holen neue Kunden dazu.