Brisanter Faktencheck

Die bittere Wahrheit um das am Grab weinende Mädchen

Der Krieg zwischen Israel und der Terrormiliz Hamas tobt auch in den sozialen Medien. Nicht immer haben die geteilten Beiträge etwas damit zu tun.

Newsdesk Heute
Die bittere Wahrheit um das am Grab weinende Mädchen
Das Video eines am Grab seiner Mutter trauernden Mädchens kursiert derzeit in den sozialen Medien.
Screenshot Facebook

Bilder sind mächtig, weil sie – auch ohne begleitende Worte – starke Emotionen erzeugen können. Ist Leid abgebildet, sind die Reaktionen besonders heftig. Vor allem, wenn Kinder zu sehen sind. Das ist mit ein Grund dafür, dass solche Aufnahmen im Zusammenhang mit Krisen häufig geteilt werden.

So ist es im Ukraine-Krieg und so ist es auch beim Krieg zwischen Israel und der Terrormiliz Hamas, wie der Clip eines trauernden Mädchens zeigt, der derzeit kursiert. Entsprechende Posts sind unter anderem mit den Hashtags #PalestinianLivesMatter, #Stopterrorismagainstmuslims und #FreePalestine versehen. Mitunter finden sich auch Hinweise auf das Jahr 2023 direkt im Video. Dadurch entsteht der Eindruck, der Clip sei aktuell und das Mädchen betrauere jemanden, der durch die Luft- oder Bodenangriffe Israels ums Leben gekommen sei. Doch der Clip ist alt und stammt nicht aus dem Gazastreifen.

Bilderrückwärtssuche liefert den Beweis

Fügt man einen Screenshot des Videos in der Google-Bildersuche ein, zeigt sich, dass das Video bereits am 11. Oktober 2020 auf Youtube hochgeladen wurde – und damit rund drei Jahre, bevor die Terrormiliz Hamas Israel am 7. Oktober 2023 angriff. Es ist also nicht aktuell.

Erschienen ist das auf Youtube 14 Sekunden längere Video auf dem Kanal von Raed Al-Mohammadawi Media. Der arabische Titel lautet übersetzt: "Das Kind Fatima Salam Shaalan Al-Moussawi, ihre Mutter ist gestorben. Kommen Sie und sehen Sie, wie es ihr geht, Gott ist groß." Auch im Video selbst ist zu hören, wie das Mädchen "Mama" sagt.

Mutter ist in Wahrheit Corona-Tote

In den Kommentaren finden sich erste Hinweise darauf, woran die Mutter gestorben sein könnte. Gleich im ersten heißt es – ebenfalls auf Arabisch: "Ihre Mutter starb an den Folgen des Coronavirus. Die vier Kinder erholten sich." Der Beitrag ist vom Kanalbetreiber angepinnt worden. Wer die Person ist, von der dieser Kommentar stammt, ist jedoch unklar. Informationen über sich gibt sie auf ihrem Kanal nicht preis. Entsprechend lässt sich nicht einordnen, ob der Hinweis den Tatsachen entspricht.

Allerdings findet sich noch an anderer Stelle ein Hinweis dafür, dass die Mutter des Mädchens im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben ist, wie das Faktencheck-Team der Nachrichtenagentur AFP schreibt: So ist auf dem Kanal von Raed Al-Mohammadawi Media ein weiteres Video zu finden, das zweifelsfrei das Mädchen zeigt. Zu sehen sind auch zwei Männer und ein Junge in ähnlichem Alter. Hier sieht man, dass die Szene auf einem Friedhof aufgenommen wurde.

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    Getty Images/iStockphoto

    In der Beschreibung zu dem am 12. Oktober 2020 hochgeladenen Video heißt es, dass Fatima Salam Shaalan Al-Moussawi aus der Provinz Nadschaf stammt. Diese liegt im Irak. Und damit ist sie rund 890 Kilometer Luftlinie von Israel und 960 Kilometer vom Gazastreifen entfernt. Auch wird das Coronavirus erwähnt: "Ihre Mutter starb am Donnerstag, den 8.10.2020, an den Folgen des Coronavirus in der Notaufnahme des Spitals von Nadschaf."

    Ort eindeutig identifiziert

    Ein weiterer Hinweis darauf, dass das Video auf einem Friedhof im Irak gefilmt wurde, findet sich auch im Clip selbst. Bei Minute 0:44 ist eine irakische Flagge zu sehen. Gibt man zudem die an mehreren Stellen im Clip zu sehenden Plakate in der Bilderrückwärtssuche ein, werden zahlreiche Links angezeigt, die zu Webseiten über den "größten Friedhof der Welt" führen: den Wadi al-Salam (Tal des Friedens) im irakischen Nadschaf. Der Vergleich von Bauten im Video mit Aufnahmen des Friedhofs, die bei verschiedenen Fotoagenturen angeboten werden, legt das ebenfalls nahe. Eine Bestätigung, dass es sich beim Aufnahmeort tatsächlich um den Friedhof handelt, lieferte ein AFP-Journalist in Beirut, den die Nachrichtenagentur laut eigenen Angaben mit dem Video konfrontiert hat.

    Fazit

    Anders als es derzeit auf Social Media den Anschein erweckt, ist das Video des trauernden Mädchens nicht aktuell, sondern wurde im Jahr 2020 aufgenommen. Es stammt auch nicht aus dem Gazastreifen, sondern aus dem Irak. Konkret vom weltgrössten Friedhof, dem Wadi al-Salam. Die Mutter von Fatima, so der Name des Mädchens, starb auch nicht infolge kriegerischer Handlungen, sondern im Zusammenhang mit dem Coronavirus.

    red
    Akt.