"Heute"-Talk
Deutschland-Idol: "Happel muss mir was gespritzt haben"
Jimmy Hartwig ist Deutschlands EM-Botschafter. Als Spieler feierte er beim HSV unter Österreichs Trainer-Ikone Ernst Happel große Erfolge.
Jimmy Hartwig ist ein Großer des Fußballs – und des Lebens. Der Sohn eines Soldaten aus Amerika war einer der ersten schwarzen Nationalspieler Deutschlands. Mit Trainer Ernst Happel holte er beim HSV Meistertitel und Champions League. Die dabei verdienten Millionen verlor er an Betrüger. Er erkrankte dreimal an Krebs, überlebte.
Jetzt spielt er Theater: Shakespeare, Brecht. Als offizieller EM-Botschafter Deutschlands war er in Sachen Integration in Wien, sprach auf der Hohen Warte Flüchtlingskindern Mut zu. "Heute" sprach mit dem 69-Jährigen.
Über Ernst Happel:
"Er war mein Ziehvater, ich habe ihn geliebt. Bei meinem letzten Wien-Besuch war ich bei seinem Grab. Menschlich und fachlich war er einer der Größten. Nur eine Anekdote: Zu meiner Hamburger Zeit besuchte mich meine Mutter, wollte unbedingt die Reeperbahn sehen. Ich sagte: ,Mama, nein, ich habe in zwei Tagen ein Spiel.‘ Sie: ,Nein, Junge, wir gehen.‘ Also gingen wir, bis vier Uhr morgens. Ein Journalist sah mich, steckte es Happel. Ich spielte, schoss zwei Tore. Nach dem Spiel sagte er zu dem Reporter: ,Du, ab sofort darf der Hartwig bis sechs Uhr in der Früh weg sein‘", erinnert sich Hartwig an den Weggefährten.
Und weiter: "Das war Happel. Ich hoffe, er schaut jetzt herunter. Er wäre auch heute noch ein Welttrainer. Die ganzen Jungen heute, die posaunen: ,Ich habe meinen Trainerschein mit einer Eins gemacht.‘ Ja, aber von Menschenführung haben sie so viel Ahnung wie eine Kuh vom Elefantenreiten. Auf Leute zugehen, ihre Stärken rauskitzeln, das können nur wenige. Ralf Rangnick ist auch so einer. Da hat der DFB gepennt, habt ihr Glück gehabt."
Über Österreich:
"Ich liebe dieses Land, die Mentalität, die Wiener, die Sprache: ,Hearst Oida, bist du bled? Kannst mi am Orsch lecken.‘ Ich kann damit umgehen, kontern. Happel muss mir eine Spritze in den Hintern gesteckt haben, mich infiziert haben. Ich würde gerne hier leben, bei einem Verein arbeiten, als Manager, als Sportchef. Mal sehen. Ich habe ein Auge für Talente."
Über Rassismus im Fußball:
"Sie haben Negerschwein zu mir gesagt. Aber ich in Deutschland, in Österreich Heli Köglberger, der ein cooler Typ war – wir haben allen nach uns den Weg geebnet."
Über sein Theaterspiel:
"Ich spiele nur Dramen: Shakespeare, Brecht, Ostermaier. Das ist wie mein Leben. Jetzt trete ich in Dortmund mit ,Legende auf der Couch‘ auf. Mein Vorbild ist Klaus Maria Brandauer. Auch so eine Österreich-Liebe."
Schlosshotel Berlin – das EM-Quartier des ÖFB
Wie Fußball vereinen kann:
"Ich weiß, wie sich Flüchtlingskinder fühlen. Sie sind alleingelassen. Ich war auch alleine. Ich bin in Deutschland in schlimmen Verhältnissen aufgewachsen. Mein Vater war Amerikaner. Mein Großvater war ein Nazi. Er hat zu mir gesagt: ,Hau ab du Bimbo.‘ Auch in der Schule war es nicht einfach. ,Hau ab du Neger‘, hörte ich da. So war das."
Und weiter: "Man hat mir überall Steine in den Weg gelegt. Ich habe versucht, sie wegzuräumen. Bis jetzt habe ich alle weggeräumt. Ich hoffe, ich werde noch ein paar weitere wegräumen. Der Fußball hat mir geholfen. Er vereint. Dort begegnet man sich auf Augenhöhe."
Österreich und Deutschland bei der EM:
"Mit Schottland, Ungarn und der Schweiz hat Deutschland ja eine Kindergruppe. Wenn du da nicht weiterkommst, hast du es wirklich nicht verdient. Da hat Österreich mit Frankreich, Holland und Polen schon mehr in den Topf gegriffen. Nur, dass ihr schon in der Vorrunde ausscheidet, kann ich mir wirklich nicht vorstellen."
Auf den Punkt gebracht
- Deutschlands EM-Botschafter Jimmy Hartwig spricht im Interview über seine erfolgreiche Zeit als Fußballspieler, seine Beziehung zu Trainer Ernst Happel, Rassismus im Fußball und sein neues Engagement im Theater
- Er betont auch, wie der Fußball Menschen vereinen kann und äußert sich zur Leistung von Deutschland und Österreich bei der EM