Gruppe Muslim Interaktiv
Das sind die Köpfe hinter der Extremisten-Demo
Die Gruppe Muslim Interaktiv mobilisiert auf Tiktok Jugendliche und führte am Samstag mehr als 1.000 Extremisten in Hamburg auf die Straße.
Am Samstag demonstrierten in Hamburg laut Angaben der Polizei 1100 Extremisten gegen die angebliche Islamfeindlichkeit in Politik und Medien. Auf Plakaten waren Slogans wie "Deutschland = Wertediktatur" oder "Kalifat ist die Lösung" zu lesen. Die Kundgebung wurde von einem Großaufgebot der Polizei gesichert, zu Zwischenfällen kam es nicht.
Organisiert wurde die Demonstration von der Gruppierung Muslim Interaktiv. Die Veranstaltung war ordentlich angemeldet, der Hamburger Verfassungsschutz machte aber im Vorfeld deutlich: "Wer an dieser Demonstration teilnimmt, steht Seite an Seite mit Verfassungsfeinden."
Das ist die Gruppierung
Muslim Interaktiv wurde im Jahr 2020 in Hamburg gegründet. Die Gruppierung wird als gesichert extremistisch eingestuft und steht der islamistischen Bewegung Hizb ut-Tahrir nahe. Diese strebt einen globalen Kalifatstaat an und wurde 2003 unter anderem wegen ihres besonders stark ausgeprägten Antisemitismus verboten. Der Hamburger Verfassungsschutz beobachtet Muslim Interaktiv, ein Verbot gibt es aber bislang nicht.
BILDERSTRECKE: "Kalifat ist die Lösung": Islamisten-Demo in Hamburg artet aus
Raheem Boateng: Der "Pop-Islamist"
Einer der Köpfe nennt sich Raheem Boateng und konvertierte vor neun Jahren zum Islam. Der Lehramtsstudent ging in den letzten Wochen immer wieder als "Pop-Islamist" durch die deutschen Medien. Das, weil er auf Tiktok, Instagram und Youtube als eine Art islamistischer Influencer agiert. Er und der andere Kanalbetreiber Dawud erreichen in Hoodies Tausende Jugendliche.
Extremismus-Experte spricht Klartext
Der Extremismusexperte Johannes Saal sagt gegenüber 20 Minuten: "Im Gegensatz zu traditionellen religiösen Autoritäten wie Imamen haben islamistische Influencer und salafistische Prediger oftmals einen deutlich besseren Zugang zu jungen Muslimen." Dies vor allem aufgrund der ähnlichen Biografie: "Sie wurden in Deutschland sozialisiert und können so viel besser auf die Erfahrungen junger Muslime in Europa eingehen und dies für ihre Zwecke missbrauchen, zum Beispiel durch Einsatz von Symbolen westlicher Subkulturen."
Auch die Demo am Samstag ist laut Saal zur Rekrutierung genutzt worden. "Gruppen wie Muslim Interaktiv greifen tatsächliche Fälle von Islamfeindlichkeit auf, konstruieren diese aber auch und generalisieren sie für die gesamte westlich-demokratische Gesellschaft und Politik." Bestehende gesellschaftliche Konflikte sollen so verstärken werden, um bei der Anhängerschaft ein Schwarz-Weiß-Weltbild zu bewirken.
Die Islamwissenschaftlerin und deutsche Politikerin (Grüne) Lamy Kaddor sieht das ähnlich. "Nach dem brutalen Massaker der Hamas und dem dadurch ausgelösten Krieg in Gaza instrumentalisieren solche Gruppierungen diesen Konflikt, um vor allem muslimische Jugendliche zu mobilisieren und gegen die Demokratie zu hetzen. Leider mit Erfolg – wie an diesem Wochenende in Hamburg zu sehen war."
Kommt bald ein Verbot von Muslim Interaktiv?
Viele Politiker verurteilten die Demo vom Samstag. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte gegenüber dem "Tagesspiegel": "Die roten Linien müssen ganz klar sein: keine Terrorpropaganda für die Hamas, keine Hassparolen gegen Jüdinnen und Juden, keine Gewalt." Wenn es zu solchen Straftaten komme, müsse es ein sofortiges, hartes Einschreiten bei Demonstrationen geben.
Und Kaddor sagt: "Bereits seit langem fordern wir Grüne die schnellere Prüfung eines Vereinsverbots von Generation Islam und Muslim Interaktiv. Wir müssen islamistischen Gruppen, die in Deutschland aktiv sind, das Handwerk legen und alle rechtsstaatlichen Mittel dafür in die Hand nehmen."
Für Saal sind die rechtlichen Grundlagen für ein Verbot von Muslim Interaktiv gegeben, da sie erwiesene Ableger der Hizb ut-Tahrir seien. "Es scheint vielmehr so, dass in diesem konkreten Fall bisher der politische Wille fehlte, denn erst kürzlich scheiterte ein parlamentarischer Vorstoß." Es habe aber in der Vergangenheit unzählige Verbotsverfahren islamistischer, salafistischer und jihadistischer Organisationen und Vereine gegeben.