"Seeseiten" erobern das Netz
Buchhandlung sorgt auf Social Media für Schmunzler
Weg vom verstaubten Buchhandlungsimage wollen die "Seeseiten" in der Donaustadt - und sorgen im Netz mit schrägen Postings für Unterhaltung.
Wer durch die Seestadt spaziert und an der Buchhandlung "Seeseiten" vorbeikommt, mag sich manches Mal wundern: Denn es kann gut sein, dass Kinder toben, während Inhaber Johannes Kößler im "Grüffelo"-Kostüm Geschichten erzählt, oder Jugendliche hier bei Kaffee und Kuchen ihre Hausaufgaben erledigen.
"Arbeitsliebe auf den ersten Blick"
Eine "alte, verstaubte" Buchhandlung wollten Bettina Wagner und Johannes Kößler nie gründen, so viel stand schon früh fest. Die beiden passionierten Buchhändler ("die Liebe zu Büchern war immer da") lernten sich über die Arbeit beim Österreichischen Bundesverlag kennen und es war "Arbeitsliebe auf den ersten Blick", wie Wagner schmunzelnd verrät.
Viele Jahre später wurde daraus eine berufliche Partnerschaft - mit der ersten Buchhandlung in der Seestadt. "Es war schon etwas gruselig, als ich zu den Anfängen hierher kam, aber ich dachte mir, das wird noch ganz groß und es braucht hier eine Buchhandlung", erinnert sich Wagner an ihren ersten Besuch im Stadtentwicklungsgebiet.
"Wollten ein verlängertes Wohnzimmer"
2015 wurden die "Seeseiten" feierlich eröffnet. Pläne hatten und haben die beiden Buchliebhaber genug: "Es hat einen Vorteil, wenn man jede Buchhandlung Österreichs kennt. Dann weiß man genau, was man nicht will", lacht Wagner. "Es gibt doch einige verstaubte Geschäfte. Wir wollten etwas Modernes und Gemütliches, quasi ein verlängertes Wohnzimmer. Es sollte nicht angeräumt mit hunderten Ständern, Drehsäulen und Schütten sein." "Und der Kunde soll sich willkommen fühlen und nicht das Gefühl haben, nichts angreifen zu dürfen", ergänzt Kößler.
Schulkindern Liebe zu Büchern vermitteln
Den Fokus legen die beiden auf Kinderliteratur und bieten auch diverse Veranstaltungen für die Kleinsten an. Dabei gilt "voller Einsatz": Der Chef persönlich schlüpft in Kostüme der beliebtesten Buchfiguren und will dem Nachwuchs so die Liebe zu Büchern näherbringen. "Wir gehen auch an Schulen und sprechen mit den Kindern darüber, was eine Buchhandlung macht, wie ein Buch entsteht und wie viel Arbeit dahinter steckt. Kinder sollen lernen, wie man ein Buch eigentlich verwendet. Einige von ihnen waren noch nie in einer Buchhandlung. Hier können sie alles anfassen und ausprobieren."
Ihre Arbeit präsentieren Wagner und Kößler regelmäßig auf Social Media - und das auf humorvolle Weise. "Faschingssamstag Buchhändler-Style", postet etwa Kößler mit einem Foto von sich selbst inklusive Clownsnase beim Lesen, "Das geht sich dieses Jahr noch aus!" unter ein Foto von einem Stapel Büchern vor dem Gesicht. Mit "Ich hab grad das beste Buchhändler-Mittagessen am Markt gekauft - Du warst nur am Bierstand und am Kaffeestand - Ja?" wirbt er für den Seestädter Wochenmarkt.
"Kann Social Media nur machen, wenn es authentisch ist"
"Ich habe oft verrückte Ideen. Bettina ist dann diejenige, die mich in Zaum hält und sich die Zahlen dazu anschaut", lacht Kößler. "Deshalb ergänzen wir uns gut." Social Media mache ihnen einfach Spaß, betont Wagner. "Man kann das aber nur machen, wenn es authentisch ist." Ganz ohne Onlinepräsenz ist ihre Arbeit im Jahr 2024 nicht mehr möglich, wissen beide. Gegen den Onlinehandel "kämpfen" wolle man jedoch nicht - sondern vielmehr davon lernen.
Besonders wichtig bei der Auswahl der Bücher ist Kößler und Wagner die Offenheit für alle Themen. So finden sich zahlreiche feministische Werke oder queere Literatur in den Regalen. Als das Buch "Heartstopper" über ein homosexuelles Paar in Ungarn für Aufregung sorgte, richteten die Chefs einen "FSK 18"-Bereich ein, mit dem sie sich darüber lustig machten - wir berichteten.
Lesungen am Seeufer
Das Geheimrezept der beiden: "Wir lieben unsere Arbeit und sind mit Leidenschaft dabei", so Wagner. "Und wir haben Spaß, da kommt dann auch mal ein doofes Foto auf Facebook." Auch bei Lesungen sind die Wiener kreativ - ob am Seeufer, am Dach oder im Hof, hier sind keine Grenzen gesetzt. Das neueste Projekt ist ein Blog für alle Buchhandlungen in Österreich, auf dem sich Händler vernetzen, Tipps abgeben und ihre Expertise zeigen können.
Das Konzept der "Seeseiten" kommt an, Konkurrenzdenken gäbe es keines, ist Kößler sicher: "Andere Händler holen sich Tipps und fragen, ob sie etwas kopieren können. Umgekehrt fragen wir bei alteingesessenen Händlern nach, wie sie manches handhaben. Es tut sich einfach was in der Branche." Mehr zu den "Seeseiten" und kommende Veranstaltungen (Rudi Anschober präsentiert am 16. April "Wie wir uns die Zukunft zurückholen", Robert Palfrader kommt zum Geburtstagsfest am 24. Mai) sind hier zu finden.