Entsetzliche Abgründe
Bub in Hundebox bekam Decke nur, "wenn er brav war"
Am Landesgericht Krems wurden am Montag 2 Hundebetten und jene Box gezeigt. Ein 12-Jähriger soll darin von seiner eigenen Mutter gequält worden sein.
Der Prozess-Auftakt gegen die Mutter (33) und ihre Freundin (40), die einen damals 12-Jährigen von Sommer bis Spätherbst 2022 auf perfide Weise gequält und gefoltert haben sollen, sorgte im Gerichtssaal am Landesgericht Krems (NÖ) für Schaudern.
Mitten in der Verhandlung ließ die Richterin für die Zuschauer und Geschworenen zwei Hundebettchen und jene Mini-Box (50 mal 40 Zentimeter) in den Saal bringen, mit denen der Bub misshandelt wurde. Dort musste das Kind mit angezogenen Knien kauern, teilweise nächtelang.
Als ein Foto des völlig abgemagerten Buben aus der Intensivstation gezeigt wird, muss der Prozess für kurze Zeit unterbrochen werden – die Mutter war erneut in Tränen ausgebrochen. In ihrer Einvernahme verschlug es der unscheinbaren Frau immer wieder die Sprache. Die 33-Jährige hatte einfach keine Antworten auf die Fragen der Richterin, die hinter ihrem Pult stand und Ausflüchte der leise sprechenden Angeklagten nicht tolerieren wollte.
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Immerhin bekannte sich die Erstangeklagte am Montag "teilschuldig". Sie leugnete jedoch, dass der Bub – dessen Immunsystem laut Staatsanwältin bereits "zusammengebrochen war" – im Zuge des erlittenen "Martyriums" beinahe gestorben wäre.
Zur Erinnerung: Bei seiner Einlieferung hatte der schwer unterernährte Bub offene Wunden und blaue Flecken am ganzen Körper, nur noch 26,5 Grad Temperatur und war bereits ins Koma gefallen.
"Heute" hat die wichtigsten Passagen der Einvernahme: Demnach seien die perfiden Folterideen (Wasser über den Kopf gießen, fesseln, knebeln, ins Gesicht schlagen) allesamt Ideen der Komplizin (40) gewesen, zu der die Alleinerzieherin des 12-Jährigen während der Coronazeit intensiven Kontakt aufgebaut hatte und ihr sogar ihr Vermögen anvertrauen wollte.
Anwältin Astrid Wagner zum Fall
Mit ihrem Kind sei sie überfordert gewesen, vor allem, nachdem ihre Mutter gestorben war. Laut Anwältin Astrid Wagner sei die Freundin eine "bösartige" und "sadistische Person", ihre Mandantin hingegen ein gutgläubiges "Hascherl" – wie bei einer Sekte sei sie in eine Abhängigkeitssituation geraten und habe nur noch das gemacht, was die Freundin ihr auftrug.
Und weil der 12-Jährige ins Bett genässt habe, soll sie sie angewiesen haben, den Buben auf dem Boden schlafen zu lassen. Die Mutter warf ihm ein Hundebett ohne Polster zu, auf dem er kauern konnte. "Weil ich wollte, dass er mir folgt". Eine Decke bekam er von der Mutter demnach nur, "wenn er brav war". Hinausgehen durfte er irgendwann überhaupt nicht mehr. Und "weil es so gestunken hat", wurde auch im November bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt stundenlang gelüftet.
Zum Aufwecken goss die Angeklagte dem Sohn laut Anklage Wasser über. "Wohin haben Sie das Wasser geschüttet?" "Über den Kopf", stammelte die Mutter im Gerichtssaal, musste immer wieder ihre Tränen trocknen.
Opfervertreter fordert 150.000 Euro
Für das Kind könne man das Geschehene "nicht mehr gutmachen", meinte Opfervertreter Timo Ruisinger und fordert Schmerzensgeld in der Höhe von 150.000 Euro plus eine Übernahme aller Folgekosten. Entschuldigt habe sich die Mutter bei ihrem Buben übrigens nie. "Eine ernstgemeinte Verantwortungsübernahme sieht anders aus", so der Jurist.
Auch die Zweitangeklagte übernahm kaum Verantwortung, nahm den Verlauf der Verhandlung regungslos zur Kenntnis. Laut Anwalt Sascha Flatz sei die 40-Jährige von der Mutter manipuliert worden. Laut Gerichtspsychiater Peter Hofmann waren beide Frauen zurechnungsfähig, weil sie Gefahr laufen würden, weitere Straftaten zu begehen, wurde eine Unterbringung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum beantragt.
Eine Gerichtspsychologin schilderte am Montag, dass der Wille des Kindes systematisch gebrochen wurde. Dass sich der Bub psychisch vollständig erhole, stuft sie als unwahrscheinlich ein. Am 28. Oktober und am 19. November 2022 war das Jugendamt in der Wohnung der Mutter vor Ort – nur vier Tage, bevor das Kind ins Koma fiel.
Eine sofortige Prüfung der internen Abläufe der Behörde hätte damals ergeben, dass "alle Vorgaben eingehalten wurden". Eine unabhängige Expertengruppe, die im August 2023 ihre Arbeit aufnahm, untersucht den Fall nochmals und befinde sich laut APA in der "finalen Phase". Die Urteile im Fall sollen am Donnerstag fallen. Lange Haftstrafen drohen, die Unschuldsvermutung gilt.