Vor dem Winter

"Bittere Realität" – Davor warnt jetzt Caritas

Über 200.000 Menschen in Österreich leben in akuter Armut, weit mehr – nämlich 1,3 Millionen Menschen – sind armutsgefährdet. Die Caritas warnt nun.

Isabella Nittner
"Bittere Realität" – Davor warnt jetzt Caritas
Caritas-Präsident Michael Landau, Caritas-Generalsekretärin Anna Parr und Hannes Ziselsberger, Direktor der Caritas St. Pölten. (v.re.)
Presse + Foto Franz Gleiß

"In den österreichweit 71 Sozialberatungsstellen der Caritas sind die Erstkontakte im letzten Jahr um mehr als 50 Prozent gestiegen, die Anfragen steigen in diesem Jahr weiter. Aufgrund des hohen Andrangs hat beispielsweise die Caritas in Wien auch neue Lebensmittelausgabestellen eröffnet", berichtet Caritas-Präsident Michael Landau.

Über 200.000 Betroffene

Über 200.000 Menschen sind in Österreich von akuter Armut betroffen. Und die Zahlen steigen – eine Entwicklung, die "nicht kleingeredet" werden darf, wird nun seitens der Caritas betont. Zahlreiche Hilfsmaßnahmen und Einmal-Zahlungen des Bundes, um die Teuerungen abzufedern hätten "noch dramatischere Armutssituationen" verhindert, sie dürften jetzt aber nicht das Ende der Fahnenstange sein.

Aussicht trübe

Die Caritas fordert eine Reform der Sozialhilfe, eine Anhebung des Ausgleichzulagenrichtsatzes sowie eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes. "Heben wir die Ausgleichszulage, die so etwas wie der Mindeststandard unseres Systems ist, auf die Höhe der Armutsgefährdungsschwelle an, profitieren rund 600.000 Haushalte mit mehr als 1,1 Mio. Personen - darunter fast 2/3 Frauen oder Kinder", sagt Generalsekretärin Anna Parr. So könne man die Armutsgefährdungsquote unbürokratisch und rasch um ein Drittel senken.

Mindeststandard statt Maximalbetrag

Um insbesondere auch Kinderarmut im Land zu reduzieren, hofft man zudem auf eine neue Ausgestaltung der Sozialhilfe, ganz nach dem Motto: Mindeststandard statt Maximalbetrag, damit die Sozialhilfe wieder "letztes Auffangnetz für alle Menschen in Österreich wird."

Auch das Arbeitslosengeld solle zumindest inflationsangepasst werden, mahnt die Hilfsorganisation.

"Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, um Kinderarmut in Österreich hintanzustellen. Jedes Kind, das in Österreich in Armut lebt, ist eines zu viel. Jedes Kind, das am Schulausflug nicht teilnehmen kann oder dessen Jausenbox leer bleiben muss, ist eines zu viel. Das dürfen wir nicht kleinreden oder gar lächerlich machen. Vielmehr sollte die Regierung rasch Kinderbetreuungsplätze schaffen, Familienleistungen weiter stärken und dafür Sorge tragen, dass jedem Kind die bestmögliche Bildung in diesem Land widerfährt", so Parr.

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    Viele Mütter mit Kindern sind von den Angeboten der Caritas abhängig.
    Viele Mütter mit Kindern sind von den Angeboten der Caritas abhängig.
    Presse + Foto Franz Gleiß

    Dass die Angebote der Caritas von einer steigenden Anzahl an Menschen in Anspruch genommen wird, erörtert Caritas-St. Pölten-Direktor Hannes Ziselsberger: "Besonders stolz sind wir auch auf unsere sechs Lerncafés im Bundesland. Denn Bildung ist ein wichtiger, präventiver Schlüssel im Kampf gegen Armut. In diesen Lerncafés erhalten Kinder, die es nicht so leicht haben, eine kostenlose Lern- und Nachmittagsbetreuung. In einem angenehmen Lernumfeld inklusiver einer gesunden Jause unterstützen wir die Kinder, ihre Potenziale bestmöglich abzurufen. Wie groß der Bedarf für ein solch kostenloses Angebot ist, zeigen die langen Wartelisten. Österreichweit stehen derzeit 1.000 Kinder auf der Warteliste."

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