Wien

Besetzer empört: "Stadt sendet 13-Jährigen Drohbrief"

Nach der offiziellen Auflösung des Protestcamps bei der Stadtstraße droht die Stadt den Besetzern nun auch mit Klagen. Auch Teenies sind betroffen.

Louis Kraft
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Die angedrohten Millionenklage für die Besetzung der Baustelle zur Stadtstraße lässt die Wogen hochgehen. Wie nun bekannt wurde, droht die Stadt auch Kindern.
Die angedrohten Millionenklage für die Besetzung der Baustelle zur Stadtstraße lässt die Wogen hochgehen. Wie nun bekannt wurde, droht die Stadt auch Kindern.
Denise Auer

"Eine 13jährige Schülerin hat mich angerufen: sie hat auch einen Drohbrief von @BgmLudwig und @ullisima bekommen. Ich hab keine Worte mehr! Ist das Sozialdemokratie 2021? Kinder einschüchtern, die sich für ihre Zukunft einsetzen?", zeigt sich die Gründerin des Jugendrats und Sprecherin des Protestcamps gegen den geplanten Bau der Stadtstraße auf Twitter entsetzt. 

Die Drohung der Stadt Wien Aktivisten mit Klagen einzudecken, sollten sie die Besetzung nicht beenden - offiziell wurde diese ja bereits vergangene Woche aufgelöst - sorgt für Unruhe bei den Umweltschützern. Dass auch Kinder und Jugendlichen betroffen sind, sorgt vieler Orts für Empörung. 

Wie berichtet, droht die Stadt in einem Anwaltsbrief, das aus der Kanzlei des früheren SPÖ-Abgeordneten und Justizsprechers Hannes Jarolim stammt, den Besetzern Rechtsmittel an, falls man das Areal nicht freigibt. Im Schreiben heißt es: "Der Allgemeinheit entstehen durch dieses rechtswidrige Verhalten und die Verzögerung der Bauarbeiten immens hohe Schäden. Wir weisen darauf hin, dass unsere Mandantin verpflichtet ist, diese Schäden von den Verursachern einzufordern." Als Mandantin fungiert die Stadt Wien.

Auch 14-Jährige erhielt Anwaltsbrief der Stadt

Der Anwaltsbrief ging an verschiedene Organisationen und Initiativen, insgesamt sollen 40 bis 50 Drohbriefe auf Schadenersatz an Aktivisten der "Lobau bleibt"-Proteste versandt worden sein. Wie nun bekannt wurde, sind aber auch Teenager von der Klagsdrohung betroffen. Konkret handelt es sich um ein 13-jähriges und ein 14-jähriges Mädchen.

"Bürgermeister versucht, Kindern Angst zu machen"

"Die Stadtregierung schickt mir einen Brief, in dem mir mit Schadensersatz gedroht wird. Ich bin 13 Jahre alt. Der Bürgermeister versucht, Kindern Angst zu machen, um ein veraltetes Straßenprojekt durchzusetzen, statt sozial gerechte Klimapolitik zu machen", wird ein Mädchen in einer Aussendung des Jugendrats zitiert.

Nur einen Tag später erhält eine weitere Schülerin einen Brief der Stadt Wien. "Es ist beängstigend, dass Politikerinnen und Politiker der Jugend nicht zuhören, sondern versuchen, uns mit Drohbriefen einzuschüchtern, weil wir für unsere Zukunft einstehen wollen", so Rosa Mangold (14), Aktivistin beim Jugendrat. 

"Falsche Adressen auf Briefköpfen"

Wie die Stadt zu den Namen der Mädchen kam, ist laut Schilling noch völlig offen. "Wir wissen es nicht. Zudem waren die Mädchen nur im offiziell angemeldeten Camp. An der Besetzung oder Protestaktionen haben sie nicht teilgenommen, die Drohung ist daher eine echte Frechheit", erklärt sie gegenüber "Heute". Für Fragen sorgen auch die "falschen Adressen auf den Briefköpfen, nur die Emailadressen stimmen", berichtet Schilling. 

Der Jugendrat fordert nun nicht nur Aufklärung darüber, wie die Stadt zu den Daten der Mädchen gelangt ist, sondern auch die sofortige Zurücknahme aller Schadensersatzansprüche.

"Kindern Drohbriefe zu schicken, ist nicht nur unverhältnismäßig, sondern überschreitet alle roten Linien. Es ist ein Skandal, wie willkürlich diese Einschüchterungs-Kampagne der SPÖ aufgesetzt ist. Ich bin zutiefst schockiert, zu welchen Mitteln der Bürgermeister greift, statt die politische Diskussion zu suchen", so Schilling.

Durchhalte-Parolen auf Telegram

Via Telegram bemühen sich die Organisatoren der "Lobau bleibt"-Kampagne um Beruhigung. Sie verschicken Nachrichten, wie "Wenn du so einen Brief erhältst: Nicht in Panik verfallen. Schreib uns ein Mail an [email protected]" und "Diese Briefe wurden scheinbar willkürlich an 40-50 entfernte Unterstützer:innen der Bewegung geschickt. Sie haben noch keine rechtliche Bedeutung und dienen vor allem der Einschüchterung. Unsere Rechtshilfe- und Medienteams sind dran, diesen Skandal zu bearbeiten".

Auf der Online-Petitionsplattform "mein aufstehn" haben bereits über 5.300 Unterstützer für für Rücknahme der Klagungsdrohungen unterschrieben. 

Auch NGOs über Klagsdrohungen empört

Bereits am Samstag kamen klare Worte seitens der Grünen und von NGOs. Organisationen wie Greenpeace oder Fridays for Future kritisierten die "Einschüchterungsversuche gegen die Zivilgesellschaft" sowie die Androhung einer Millionenklage scharf.

Dass dabei auch vor Minderjährigen nicht Halt gemacht wird, gießt weiteres Öl ins Feuer. "Es ist ein riesiger Skandal, dass die Stadt Wien systematisch die junge Klimabewegung einschüchtern möchte. Bürgermeister Michael Ludwig schreckt dabei auch nicht davor zurück, Kinder zu bedrohen. Michael Ludwig muss die vorsätzliche Angstmache sofort einstellen und sämtliche Klagsdrohungen zurücknehmen. Hier wurde eine Grenze überschritten", stellt Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit heute, Montag, klar.

Stadt argumentiert weiter mit Wohnbau

Bereits vergangene Woche rief Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) gemeinsam mit Vertretern von fünf gemeinnützigen Wohnbauträgern zu einem Ende der Besetzung auf und plädierte für einen raschen Baustart der Stadtstraße, wir haben berichtet.

Man habe monatelange Geduld gezeigt, nun eben mit den Anwaltsschreiben den nächsten Schritt gesetzt. Auf "Heute"-Rückfrage erklärt das Sima-Büro, man bedauere "wenn auch Minderjährige betroffen sind, fordern aber auch diese auf, die Besetzung zu beenden, es geht um den Bau tausender leistbarer Wohnungen in unserer wachsenden Stadt. Wir setzen weiter auf Deeskalation, suchen weiter das Gespräch".

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