Schattenkrieg tobt
Bericht enthüllt tiefe CIA-Verwicklung im Ukraine-Krieg
Die "New York Times" hat ein geheimes Spionage-Netzwerk der CIA in der Ukraine aufgedeckt. Seit zehn Jahren soll der US-Geheimdienst schon aktiv sein.
Seine Position ist streng geheim. In unterirdischen Bunker hat die Ukraine in den Monaten nach Beginn von Wladimir Putins Invasion einen hochsensiblen Abhörposten installiert. Soldaten verfolgen darin russische Spionagesatelliten und fangen Gespräche zwischen feindlichen Kommandant ab.
Die "New York Times" spricht von einem "geheimen Nervenzentrum des ukrainischen Militärs" und lässt eine Bombe platzen: Die Einrichtung wurde fast zur Gänze vom US-Auslandsgeheimdienst CIA finanziert und ausgestattet – und es gibt noch elf weitere entlang der Front bzw. der russischen Grenze.
Die renommierte Zeitung deckt in ihrem Bericht vom 25. Februar 2024 ein lange und streng gehütetes Geheimnis über die strategische Partnerschaft zwischen ukrainischem, amerikanischem und britischem Geheimdienst auf.
Die Anfänge
Diese soll auch nicht erst nach Ausbruch des Krieges vor zwei Jahren entstanden sein, sondern schon weiter, nämlich ein ganzes Jahrzehnt, zurückgehen, heißt es darin.
Die Ursprünge der Partnerschaft überraschen: Kreml-Autokrat Wladimir Putin beschuldigt schon lange die CIA, in der Ukraine anti-russische Sentiments zu verbreiten. Doch wie die "New York Times" in ihrer mehr als 200 Interviews umfassenden Recherche nun aufzeigt, dürfte es ausgerechnet andersrum gewesen sein.
Putins wiederholte Einmischung in die ukrainische Politik, um das Land weiter in seiner "Einflusssphäre" zu binden, hatte genau den gegenteiligen Effekt. Die Bevölkerung drängte Richtung Europa, die Proteste gipfelten in der Maidan-Bewegung und der Wahl einer pro-europäischen Regierung.
Die CIA hatte vorher und danach in der Ukraine eigentlich gar nicht agieren wollen, heißt es in dem Bericht. Zum einen aus mangelndem Vertrauen in die Kiewer Behörden und zum anderen aus Angst, den Kreml damit zu provozieren. Stattdessen seien es die Ukrainer gewesen, die die Verbindung zu den US-Spionen gesucht hätten.
Vertrauensbeweis
Und um sich zu beweisen, soll die ukrainische Geheimdienstführung von sich aus den Amerikanern stapelweise top secret Akten der Russen ausgehändigt haben. Später lieferte sie wesentliche Infos zum Abschuss von Flug MH17 im Jahr 2014 und der russischen Einmischung in die US-Präsidentschaftswahl 2016. Innerhalb von Monaten machten sie sich so zur wichtigsten Aufdecker-Quelle russische Geheimnisse für die westlichen Verbündeten.
Doch selbst danach seien die Amerikaner Kiew gegenüber sehr zurückhaltend und aus Sicht der Ukrainer oft zu zaghaft und vorsichtig aufgetreten. Washington gab ein umfassendes Regelwerk aus, das einige CIA-Offizielle als "Handschellen" bezeichnet. So habe jedwede Unterstützung, die tödliche Konsequenzen haben könnte, als "unzumutbar" gegolten.
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"Dinge, die Bumm machen"
Es wurden auch Elite-Spione ausgebildet und auch der Abwehrkampf in besetzten Gebieten trainiert. Es sei ein Balanceakt gewesen, über den die CIA die ukrainischen Geheimdienste stärkten sollte, ohne den Russen auf den Schlips zu treten. "Wir haben unterschieden zwischen Operationen zur Informationsgewinnung und Dingen, die Bumm machen", wird eine anonyme Quelle durch die "New York Times" zitiert.
Am 24. Februar 2022 fielen die Handschellen. Heute beliefern CIA und MI6 die Ukrainer mit überlebenswichtigen Infos zu russischen Truppenbewegungen und möglichen Zielen von Raketenangriffe. Zur Art des CIA-Engagements sagte ein hochrangiger US-Beamter demnach: "Betätigen sie den Abzug? Nein. Helfen sie mit dem Zielen? Absolut!"
"Ohne sie hätten wir keine Chance gehabt"
Die Kooperation mit dem Westen führte zu zahlreichen Erfolgen der Ukrainer auf dem Schlachtfeld: "Ohne sie hätten wir keine Chance gehabt, die Russen abzuwehren, geschweige denn, sie zu schlagen", schildert Iwan Bakanow, bis Sommer 2022 noch Chef des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU).
In der Zwischenzeit sollen CIA und der ukrainische Auslandsgeheimdienst HUR noch zwei weitere Horchposten eingerichtet haben, die mit dem Dutzend weiteren zusammen, nun "mehr russische Geheiminfos sammeln und produzieren als je zuvor in diesem Krieg". Ein Großteil davon geht auch an die Amerikaner.
"Sie können solche Informationen nirgendwo sonst kriegen – außer hier und jetzt", wird Geheimdienst-General Serhii Dvoretskiy abschließend zitiert.