Italiener wollen Klage

"Belastungsgrenze erreicht" – EU-Streit um Notmaßnahmen

Der Streit um die Tiroler Notmaßnahmen gegen die Transitlawine auf der Brenner Autobahn wird erbittert fortgeführt. Jetzt reagiert die EU-Kommission.

Newsdesk Heute
"Belastungsgrenze erreicht" – EU-Streit um Notmaßnahmen
LKW-Kolonnen noch und nöcher aus Italien und Deutschland donnern quer durch Tirol. Österreichs Reaktion sorgt bei den Nachbarn für Ärger.
Jakob Gruber / EXPA / picturedesk.com

Die Europäische Kommission hat am heutigen Dienstag die italienische Klagsaufforderung gegen die Tiroler Notmaßnahmen (siehe Infobox unten) abgewiesen und eine Rückkehr zu konstruktiven Gesprächen eingemahnt. Das sind herbe Rüffel für die Italiener, waren doch sie es, die im vergangenen Jahr den Verhandlungstisch verlassen hatten. Sie haben nun die Möglichkeit eigenständig eine Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzubringen.

Sowohl die österreichische Bundes- wie auch die Tiroler Landesregierung signalisieren zwar Gesprächsbereitschaft in Richtung des südlichen Nachbars, bleiben aber hart auf Kurs. Eine Abkehr von den Notmaßnahmen komme nicht in Frage.

Die in der Stellungnahme der Kommission geäußerte Kritik an weisen Verkehr- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) in einer gemeinsam Aussendung deutlich zurück: "Die Tiroler Notmaßnahmen sind rechtskonform und richtig. Denn die Gesundheit und das Leben der Menschen sind für uns nicht verhandelbar. Wir stehen gemeinsam an der Seite der Tiroler Bevölkerung und werden alles tun, um sie konsequent zu schützen."

Salvini-Klage erwartet

"Am Ende werden saubere Luft, Verkehrssicherheit und Gesundheit gegen die Lobby-Interessen der italienischen Transportindustrie gewinnen. Klar ist: Je früher das passiert, desto besser", ist Gewessler überzeugt. "Nun muss Matteo Salvini entscheiden, ob er ein Minister für Frächter-Profite oder für die Menschen ist."

<strong>Tirols Transit-Notmaßnahmen sorgen für Ärger</strong>: Im Bild ein gigantischer LKW-Stau von der Grenze bis München wegen österreichischer LKW-Blockabfertigung im Oktober 2021.
Tirols Transit-Notmaßnahmen sorgen für Ärger: Im Bild ein gigantischer LKW-Stau von der Grenze bis München wegen österreichischer LKW-Blockabfertigung im Oktober 2021.
Stephan, Martina / Action Press / picturedesk.com

Landeschef Mattle stößt ins selbe Horn: "Wir bleiben gesprächsbereit, wenn es um neue Maßnahmen geht, die die Situation entlang des Brennerkorridors verbessern. Die Belastungsgrenze für Mensch, Natur und Infrastruktur ist aber längst erreicht."

Der Tiroler Verkehrs- und Klimaschutzlandesrat René Zumtobel (SPÖ) rechnet damit, dass FPÖ-Freund und Italo-Vizepremier Salvini weiter gerichtlich gegen Österreich vorgehen wird: "Ich gehe davon aus, dass Italien nun mit dem Rückenwind der Verkehrskommissarin die Klage einbringen und es dann vor dem Europäischen Gerichtshof zu einer Entscheidung zwischen der Warenverkehrsfreiheit und dem Schutz der Gesundheit, des Lebensraums sowie der Umwelt kommen wird." Darauf werde man sich nun gemeinsam vorbereiten, um gegen den "ungedrosselten Lkw-Verkehr" anzukämpfen.

Von der Straße auf die Schiene

Die Grüne Bundespartei stellt sich hinter die Transit-Notwehrmaßnahmen in Tirol: "Die Brenner-Achse hat ihre Kapazität längst erreicht. Die Nerven liegen bei den betroffenen Anrainer:innen und den regionalen Berufsverkehren in Südtirol, Tirol und Bayern bereits blank", so Verkehrssprecher Hermann Weratschnig.

Die EU-Kommission sei dabei auch gefordert eine Richtlinie zur nachhaltigen Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene zu erarbeiten. "Ein zeitgemäßes Verkehrsmanagement, das den Warenverkehr fließen lässt, ohne die Gesundheit der Bürger:innen entlang der Routen zu gefährden, muss auch im Interesse von Italien und Deutschland liegen", hält Weratschnig fest. Er fordert von diesen "faire Bedingungen auf den Alpenübergängen" ein.

"Europa muss die Transitlawine stoppen"

SPÖ-EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder sieht die heutige Entscheidung der EU-Kommission als "ersten Erfolg für die Tiroler Bevölkerung". "Es braucht jetzt endlich ein Einvernehmen aller Anrainerstaaten, damit wir zu einer nachhaltigen Lösung des Transitproblems kommen. [...] Salvinis wüste Klagsdrohungen und das Einmauern auf den eigenen Standpunkt nützen gar nichts", donnert Schieder.

Auch er will Investitionen in den Schienenverkehr, Europa müsse die Transitlawine endlich stoppen. "Man kann den freien Warenverkehr nicht gegen die Gesundheit von hunderttausenden Tiroler*innen entlang der Brennerroute aufwiegen".

Darum geht es bei den Tiroler Notmaßnahmen

Der Brenner ist die mit großem Abstand am meisten befahrene Nord-Süd-Verbindung in ganz Europa. Im Jahr 2022 wurden 2,5 Millionen Lkws gezählt, Tendenz steigend.
Diese Transitlawine, werde unter anderem durch die sehr billige Maut in Italien verursacht, beklagt die Tiroler Landesregierung. Leidtragende seien die Anrainer entlang der Strecke. Schlechte Luft, Lärm und Stau hätten "ein schon lange nicht mehr tragbares Maß" erreicht.
Die Notmaßnahmen, dazu gehört Blockabfertigung, sollen ein Minimum an Schutz der Tiroler sicherstellen. Zwar hatten die Landeschefs von Bayern, Tirol und Südtirol schon in der Vergangenheit ein "Slot-System" angedacht, doch für ein grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement bräuchte es einen Staatsvertrag. Der ist aber auch wegen der italienischen Ablehnung noch in weiter Ferne.

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