Ziad El Sheiwi
Austria-Talent: "Die ersten Tage habe ich nur geweint"
ÖFB-Teamspieler Sasa Kalajdzic riss sich zum dritten Mal das Kreuzband. Ein Schicksal, das der Stürmer mit Austria-Talent Ziad El Sheiwi teilt.
Am 5. Dezember 2021 begann der Leidensweg des talentierten Linksverteidigers. Ausgerechnet im Wiener Derby (1:1). El Sheiwi bereitete zuerst den Führungstreffer durch Matthias Braunöder vor, musste dann in der 18. Spielminute ausgetauscht werden. Die erschütternde Diagnose: Kreuzbandriss. Es folgten zwei weitere, der nun 19-Jährige arbeitet seither an der Rückkehr auf den Fußballplatz.
Im "Heute"-Talk sprach der violette Eigenbauspieler nun über die harten Reha-Phasen nach drei Kreuzbandrissen in nur 16 Monaten, seine Motivation in dunklen Momenten, seinen "Leidensgenossen" Kalajdzic sowie die Chancen der Austria auf die Meistergruppe.
Das gesamte Interview
Hallo Ziad, dein letzter Kreuzbandriss ist neun Monate her. Wie weit bist du schon?
Mir geht es sehr gut, ich spüre nichts mehr im Knie. Die Schwellung ist komplett weg. Ich mache eigentlich alles – individuell noch. Schüsse, Pässe, Flanken, Sprints. Das ist schon volles Programm bei mir. Jetzt ist es das Ziel, noch Fitness aufzubauen. Alles mit 100 Prozent, dass der Körper sich daran gewöhnt, wir gehen schon ein schönes Tempo.
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Ist die Fitness noch der größte Punkt?
Ja, dass man auch im ermüdeten Zustand vom Kopf her immer da ist. Reaktive Sachen, die auch im Spiel passieren. Da bist du ja nicht mehr auf dein Knie fokussiert. In einer Sekunde musst du schnell reagieren. Das bauen wir auch im Training ein. Meistens trainiere ich kurz, aber intensiv. Eine Stunde etwa. Alleine ist es eh ein bisschen zach.
Wie nahe dran bist du an der Mannschaft?
Öfters in letzter Zeit. Ich habe trainiert, wenn sie auch trainiert haben. Das macht schon etwas mit einem, man hat Spaß, kriegt die Gaudi mit. Das motiviert mich, dass ich wieder dazustoßen kann. Alleine zu trainieren, ist nicht das Allerschönste im Fußball.
„Das Ziel ist, dass ich mit 100 Prozent im Sommer reinstarten kann“
Nach deinen ersten beiden Kreuzbandrissen bist du stets nach rund einem Dreivierteljahr zurückgekehrt. Lässt du dir dieses Mal mehr Zeit?
Wir haben es so entschieden, die Physios, die Ärzte, dass wir es ein paar Monate weiter rauszögern. Da stehe ich voll dahinter. Das Ziel ist, dass ich voll, mit 100 Prozent, im Sommer reinstarten kann.
„In den ersten Tagen habe ich nur geweint“
Letzten Mai hast du zum dritten Mal die schwere Diagnose Kreuzbandriss erhalten. Was ging da in deinem Kopf vor?
Ein Schock, purer Schock. Es hat sich angefühlt, als wäre es ein Traum. Ich wollte es gar nicht glauben, ich habe es zuerst auch nicht geglaubt. Als ich nach der OP die Schiene an meinem Bein gesehen habe, habe ich gesagt: Ja, es ist wahr. Es kocht innerlich, man weiß nicht, ob man weinen soll, oder schreien soll. Ich habe nicht gewusst, was ich damit anfangen soll. In den ersten Tagen habe ich nur geweint. Aber irgendwann geht es dann. Die Familie, die Freunde sind da. Dann bist du irgendwann so abgelenkt, dass du es ein bisschen vergisst. Jetzt sind es schon wieder neun Monate. Ich habe einfach jeden Tag im Kraftraum das gemacht, was der Physio von mir wollte, habe versucht, 100 Prozent zu geben. Dass ich dann am Ende dastehe und sagen kann, dass ich 100 Prozent gegeben habe.
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In einer so langen Reha-Phase hat es sicher immer wieder dunkle Momente gegeben.
Ab und zu fällt man in ein Loch, aber ich bin mental stark. Ich bin dankbar, dass ich hier sein kann. Es gibt so viel Schlimmeres, dadurch habe ich die Motivation genommen. Mir geht es gut, ich habe Essen und Trinken, meiner Familie geht es gut, ich habe Freunde, kann rausgehen und Spaß haben. Das hat mich herausgeholt. Jeder wird ab und zu in ein Loch fallen, aber wenn du den Glauben nicht verlierst, ist vieles möglich. Rückschläge gab es wenig bis gar keine. Außer, dass ich ein paar Tage wegen einer Schwellung im Knie pausiert hab.
Hast du auch einmal ans Aufhören gedacht? Hast du einen Plan B?
Nein, ich habe nie daran gedacht. Nach dem dritten Kreuzbandrisse habe ich mir gedacht: Okay, neun bis zwölf Monate, keine Ahnung, wie lange es dann dauern wird. Da habe ich mir wieder ein Ziel gesetzt, dass ich wieder auf dem Platz stehen will. Ich habe den Willen, den Glauben daran und das Vertrauen in meinen Körper. Und das ist das Entscheidende. Mein einziges Ziel ist Fußball.
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Wenn man eine Reha zum dritten Mal durchmacht, hat man da Lehren daraus gezogen?
Du verstehst deinen Körper viel besser, du weißt, was gut für dich ist, was schlecht für dich ist. Es war das Wichtigste, in meinen Körper zu hören und nicht überhastet ranzugehen. Ich habe gelernt, in meinen Körper reinzuhören. Ob du die eine Übung machst oder nicht, ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass du Vertrauen in deine Physios hast.
„Ich glaube, dass mein Körper ein paar Jahre hält“
Hast du noch Vertrauen in deinen Körper? Oder zweifelst du?
Am Anfang sicher, da ein bisschen mehr. Die Kreuzbandrisse so schnell hintereinander ist schon komisch. Aber wenn ich mir anschaue, wie ich die Übungen am Platz durchführe, bin ich voll zufrieden, das Vertrauen geht immer weiter nach oben, von Woche zu Woche. Vertrauen gewinnt man auch erst, wenn man wieder spielt. Ich glaube, dass mein Körper ein paar Jahre hält.
Sasa Kalajdzic hat gerade ebenso seinen dritten Kreuzbandriss erlitten. Fühlst du da mit?
Ja, das ist extrem. Wenn du die Situation schon erlebt hast, fühlt man dreimal so stark mit wie einer, der es noch nie erlebt hat. Ich weiß genau, wie er sich fühlt. Er ist selbst gerade wahrscheinlich in einem Loch. Er spielt ein paar Monate und dann schon wieder… Es ist bitter, aber er wird es auch wieder hinkriegen.
„Wenn er es zweimal geschafft hat, warum nicht auch dreimal?“
Wird es Kalajdzic wieder zurück schaffen?
Wenn er es zweimal geschafft hat, warum nicht auch dreimal? Viele denken, es ist leicht, eine Reha durchzumachen, aber das ist leider nicht so. Man muss mental stabil bleiben. Aber er wird das gut machen.
Das Wiener Derby steht vor der Tür. Welche Erinnerungen hast du an den 5. Dezember 2021? Dein erstes Derby, dein bisher einziger Bundesliga-Assist und dann dein erster Kreuzbandriss, alles in einem Spiel.
Es war eine andere Situation, es waren keine Fans im Stadion, war noch die Corona-Zeit. Man nimmt das ein bisschen anders wahr. Man hat es im Hinterkopf, aber ich denke nicht daran, wenn ich Rapid höre. Das ist abgehakt. Trotzdem habe ich mein erstes Derby mit 17 Jahren gespielt. Darauf kann ich stolz sein. Hoffentlich kommen noch weitere Derbys dazu.
Wie wirst du das Derby am Sonntag verfolgen?
Im Stadion, ich werde hinter der Mannschaft stehen, motivieren, dass sie die drei Punkte mitnehmen. Es ist trotzdem eines der geilsten Spiele.
„Drei Punkte mitzunehmen, wäre schon das Schönste“
Austria ist zwölf Derbys ungeschlagen, hat noch nie im Allianz Stadion verloren.
Wieder drei Punkte mitzunehmen, wäre schon das Schönste. Aber jetzt geht es einmal darum, sich gut vorzubereiten.
Schafft es die Austria in die Meistergruppe?
Ja! Da glaube ich dran. Sechs Punkte nach den ersten zwei Runden – wenn wir so spielen wie gegen Hartberg, da anknüpfen, wird es etwas. Es ist eine Schlüsselpartie, aber ich glaube dran.
Auf den Punkt gebracht
- Ziad El Sheiwi, ein Talent der Austria, hat drei Kreuzbandrisse in 16 Monaten erlitten und arbeitet hart an seinem Comeback
- Er fühlt mit seinem "Leidensgenossen" Sasa Kalajdzic und glaubt fest an die Rückkehr des ÖFB-Stürmers
- 2021 zog er sich seinen ersten Kreuzbandriss im Wiener Derby zu, glaubt aber, dass die "Veilchen" im Schlüsselspiel gegen Rapid bestehen können und die Meistergruppe erreichen