Tag der Notfallmedizin

Ausbildung zum Notfallmediziner fehlt in Österreich

Österreich braucht eine eigene Notfallmedizin-Ausbildung, sagt Experte Harald Herkner am Internationalen Tag der Notfallmedizin im "Heute"-Talk.

Heute Life
Ausbildung zum Notfallmediziner fehlt in Österreich
Dr. Harald Herkner (Bild) setzt sich seit Jahren für die Etablierung einer eigenen Ausbildung zum Notfallmediziner ein.
iStockphoto.com; MedUni Wien

Wer heute mit einem Notfall ins Spital kommt, wird in der Regel von Allgemeinmedizinern, Anästhesisten und Internisten behandelt. Alles Ärzte, die über die nötige Erfahrung verfügen, sich aber nicht Notfallmediziner nennen dürfen. Denn eigene anerkannte Notfallmediziner gibt es bis dato in Österreich nicht, weil die dazugehörende Ausbildung fehlt. Der heutige Internationale Tag der Notfallmedizin soll unter anderem auf dieses Anliegen hinweisen, denn sie ist eine sehr "unsichtbare Disziplin" neben all den anderen.

Österreichische Gesellschaft für Notfallmedizin

Seit 2008 nimmt es sich die Österreichische Gesellschaft für Notfallmedizin (Austrian Association of Emergency Medicine, AAEM) zum Ziel, die Schaffung einer eigenen Ausbildung in Innerklinischer Notfallmedizin in Österreich zu fördern, so wie es EU-weit längst üblich ist. Die AAEM repräsentiert die Notfallabteilungen und die dort praktizierte Innerklinische Notfallmedizin in Österreich.

"Heute" sprach mit dem Präsidenten der AAEM, Prof. Harald Herkner, selbst seit mehr als 20 Jahren Notfallmediziner und stellvertretender Vorstand der Universitätsklinik für Notfallmedizin an der MedUni Wien.

Der 27. Mai ist der Internationale Tag der Notfallmedizin. Dieser Tag wurde von der Europäischen Gesellschaft für Notfallmedizin (EUSEM) ins Leben gerufen und erstmals am 27. Mai 2019 begangen. Er soll das Bewusstsein für die wichtige Rolle der Notfallmedizin schärfen und will sich für eine bessere Unterstützung, Ressourcen und Ausbildung der Notfallmediziner einzusetzen.

Was ist Notfallmedizin?

Menschen, die in der Innerklinischen Notfallmedizin arbeiten, sind zuständig für die Erstversorgung von Notfällen in den Notfallambulanzen. Dazu gehört die Einschätzung der medizinischen Situation (lebensbedrohlich oder nicht), die richtige Diagnose zu stellen, die Setzung der richtigen medizinischen Maßnahmen und Überweisung an die richtige Fachabteilung – und das alles unter Zeitdruck, denn unter Umständen geht es um Leben und Tod. Dazu müssen sie sich mit Akutsituationen aus verschiedenen medizinischen Disziplinen auskennen und in Sekundenschnelle wissen, was zu tun ist.

Eigene Ausbildung fehlt in Österreich

Um Notfallmediziner zu sein, genügt es nicht, nur Arzt zu sein, sondern bedarf einer eigenen zusätzlichen Ausbildung. In den meisten europäischen Ländern und im angloamerikanischen Raum gibt es so eine Ausbildung als eigene Disziplin bereits seit 30 Jahren. Und es hat sich gezeigt, dass sie durchaus Sinn macht. Herkner setzt sich seit Jahren für die Etablierung einer eigenen Notfallmedizin-Ausbildung ein. Denn so etwas gibt es bis dato in Österreich nicht, aber wohl in fast allen anderen europäischen Ländern.

Im Zeichen des Klimawandels

In diesem Jahr steht der Tag im Zeichen des Klimawandels und seinen Folgen für die Menschheit. Denn laut Prognosen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden zwischen 2030 und 2050 jährlich 250.000 zusätzliche Todesfälle aufgrund klimabedingter Faktoren, insbesondere Hitzestress, Unterernährung und Infektionskrankheiten, erwartet. Diese Prognose verschärft Gesundheitskrisen durch extreme Wetterereignisse, veränderte Krankheitsdynamiken und ökologische Verschlechterungen.

Das Gesundheitssystem muss klimafit werden

Hitzeperioden im Sommer sind vor allem für ältere Menschen extrem bedrohlich. Bei mehreren Tropennächten in Folge können sich diese Personen nicht mehr selbst helfen. In Zukunft werden immer mehr Menschen an körperlicher Schwäche durch Überhitzung, Dehydrierung mit Elektrolytentgleisung, Herzrhythmusstörungen und anderen Herz-Kreislaufproblemen leiden. "Angesichts unserer Bevölkerungsentwicklung werden solche Szenarien in den nächsten Jahren weiter zunehmen, und zwar in einem Maß, wie man es sich jetzt noch nicht vorstellen kann", prognostiziert der Experte. "Wir erwarten in den nächsten 10 Jahren eine unglaublich große Zahl an älteren Menschen mit chronischen Erkrankungen, die besonders anfällig für solche medizinischen Akutereignisse sein werden." Deshalb müsse man auch im Gesundheitssystem klimafit werden und jetzt damit beginnen, Vorkehrungen zu treffen, zu denen unter anderem die Etablierung der Notfallmedizin gehört. "Sehr viele Krankenhausträger haben schon Notfallambulanzen eingerichtet, deshalb ist jetzt die Zeit reif, eine strukturierte Ausbildung zu etablieren. Auch, um nicht das europäische Schlusslicht in diesem Punkt zu sein." Neben Österreich haben nur noch Zypern, Portugal und Spanien keine eigene notfallmedizinische Ausbildung.

Die Zeit drängt

Seit Jahren laufen Verhandlungen mit der Ärztekammer. Vom Ministerium erhalte man sehr gute Unterstützung, so Herkner. Auch die Krankenhausträger sprechen sich für die neue Ausbildung aus. Es hapere nicht am Geld, aber wohl an der Bürokratie. "Solche Gesetzesänderungen sind ein langwieriger Prozess". Aber die Zeit drängt, denn der Klimawandel ist in vollem Gange und die Fachausbildung zum Notfallmediziner dauert zwei Jahre.

Auf den Punkt gebracht

  • Österreich benötigt dringend eine eigene Notfallmedizin-Ausbildung, da es bislang keine anerkannten Notfallmediziner gibt
  • Die Österreichische Gesellschaft für Notfallmedizin setzt sich seit 2008 für die Einführung einer solchen Ausbildung ein, um die Versorgung in Notfallsituationen zu verbessern
  • Der Internationale Tag der Notfallmedizin weist auch auf die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit hin und betont die Dringlichkeit, das Gesundheitssystem klimafit zu machen
red
Akt.
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