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"Auf Spuren von Obama": Harris-Rede überzeugt Experten

Harris hat ihre erste Rede als Präsidentschaftskandidatin gehalten. Experten sind sich einig: Sie hat das Potenzial, ein Feuer zu entfachen wie Obama.

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"Auf Spuren von Obama": Harris-Rede überzeugt Experten
Kamala Harris bei ihrer ersten Wahlkampfrede.
IMAGO/Middle East Images

Sie will Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika werden. Und sie wusste, dass sie noch genau 105 Tage hat, um die Nation von sich zu überzeugen, als sie für ihre erste Rede seit dem Rückzug von Joe Biden am Dienstag in Milwaukee im Swing-State Wisconsin ans Rednerpult trat. Entsprechend groß war die Spannung. Konnte sie das Feuer entfachen, das es braucht, um am 5. November gewählt zu werden? Stefan Verra, Experte für Körpersprache, und Guido Weber, US-Wahlkampfexperte, schätzen ein.

Charisma und Euphorie: "Das Feuer ist übergesprungen"

Guido Weber: "Das war ein ausgezeichneter Auftritt. Harris war ein Spiegelbild der Demokraten im ganzen Land, die derzeit voller Euphorie und Energie sind. Allein, dass es die größte Wahlkampfveranstaltung der Demokraten seit Bidens Wahl vor vier Jahren war, zeigt, wie groß die Euphoriewelle derzeit ist. Harris ist es gelungen, diese Welle zu reiten."

Stefan Verra: "Kamala Harris hat definitiv mehr richtig als falsch gemacht. Sie hat es geschafft, Euphorie zu erzeugen. Sie kam nach ein paar Minuten ziemlich gut rein und wurde im Verlauf der Rede lauter und ist mit der Stimme immer mehr nach oben gegangen. Das ist das Mittel, mit dem Obama damals Euphorie erzeugt hat – und das, was Trump nicht kann, wozu ihm die Empathie fehlt."

Das Spiel mit dem Publikum: "Jubel schaukelt die Stimmung hoch"

Stefan Verra: "Bei solchen Reden zählt das Spiel zwischen Rednerin und Publikum. Das muss ein harmonierender Rhythmus sein. Das beständige Jubeln zwischen den Aussagen der Kandidatin ist enorm wichtig, weil das die Stimmung hochschaukelt. Harris hat das sehr gut gemacht. Sie hat sich auf das Tempo des Publikums optimal eingelassen und hat immer, wenn das Publikum gejubelt hat, eine kurze Pause gelassen."

Die Botschaften: "Wir gehen nach vorn, Donald Trump zurück"

Für Guido Weber waren das die zentralen Botschaften und Aussagen in Harris' Rede:

  • "Ich bin eine ehemalige Staatsanwältin, Donald Trump ein verurteilter Verbrecher. Ich kenne Typen wie ihn." Damit sprach Harris etwas an, was laut Weber vielen Amerikanern aus allen politischen Lagern ein Anliegen ist: die Rückkehr zur Rechtsstaatlichkeit.
  • "Ich kämpfe für den Mittelstand." Damit hat Harris laut Weber indirekt eine Antwort auf die Frage nach der Inflation und der Kaufkraft gegeben, ohne diese Worte tatsächlich auszusprechen.
  • "Ich kämpfe für das Selbstbestimmungsrecht der Frauen." Für Weber ist die Abtreibungsdebatte ein zentraler und glaubwürdiger Punkt in Harris' Wahlkampfprogramm: "Sie überzeugt Frauen und holt sie ab mit der Botschaft, dass Frauen selbst über sich bestimmen können und sich nicht von alten weißen republikanischen Männern oder dem Staat bestimmen lassen müssen."
  • "Wir gehen nach vorn, Donald Trump will zurück." Diesen Punkt kann Harris laut Weber überzeugend herüberbringen: "Sie ist 20 Jahre jünger als Trump, sie steht für eine andere Generation, vertritt andere Werte und eine andere Politik. Das hat sie geschickt in ihre Rede eingeflochten und wird sie im Wahlkampf bestimmt auch noch stärker betonen."

Worüber sie nicht geredet hat: Migration und Wirtschaft

Ausgelassen oder nicht direkt angesprochen hat Harris laut Weber die zwei zentralen Themen Migration und Wirtschaft. "Gerade bei der Migration gibt es keine einfachen Lösungen. Für längere Reden und Debatten wird sie sich hier gute Lösungen überlegen müssen. Das aber nicht in der ersten Rede anzusprechen, war richtig", sagt Guido Weber.

Die Fehler: Teleprompter, rudernde Arme und falsche Richtung

Laut Körpersprache-Experte Stefan Verra hat Harris auch einige handwerkliche Fehler gemacht:

  • "Sie hat sehr viel von den Telepromptern links und rechts von ihr abgelesen. Das ist verständlich, die Rede war erst kurz vorher geschrieben worden. Doch ihr fehlt noch die Fähigkeit, bei wichtigen und zentralen Aussagen direkt ins Publikum zu sprechen. Vor allem bei den letzten Aussagen, bevor das Publikum jubeln wird, ist das zentral. Obama hat da jeweils direkt in die Menge gebrüllt: 'Yes we can.'"
  • "Es fehlt den Demokraten eindeutig an einem Claim, etwas wie 'Make America Great Again' oder 'Yes we can'."
  • "Sie rudert sehr viel mit ihren Armen und Händen. Das hat sie vor vier Jahren auch schon gemacht, doch es wirkt hilflos. Das muss sie ablegen."
  • "Sie wollte die Richtung der Demokraten in die Zukunft zeigen, hat dabei aber einen kapitalen Fehler gemacht: Wenn man sich die Stelle ansieht, zeigt sie für das Publikum in die falsche Richtung. Wenn wir auf einem Blatt Papier einen Zeitstrahl zeichnen würden, wäre die Vergangenheit links und die Zukunft rechts. Sie aber zeigt die Demokraten hoch oben für uns auf die linke Seite, also die Vergangenheitsseite, und Donald Trump rechts, also auf der Zukunftsseite. Diesen Fehler muss sie ausbessern."

Das Fazit: "Harris hat mehr richtig gemacht als falsch"

Abgesehen von diesen Fehlern sind sich die Experten einig: Harris hat mehr richtig gemacht als falsch und einen überzeugenden Auftritt hingelegt. Sie hat die Rolle der stillen, wenig charismatischen Vizepräsidentin abgelegt und ist ihrer neuen Rolle als Anwärterin auf das Präsidentschaftsamt gerecht geworden. "Und in puncto Energie, Charisma und Spiel mit dem Publikum wandelt Harris durchaus auf den Spuren von Barack Obama."

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    Auf den Punkt gebracht

    • Die erste Rede von Kamala Harris als Präsidentschaftskandidatin war mit Spannung erwartet worden
    • Ein Experte für Körpersprache und ein US-Wahlkampfexperte sind sich einig: Harris hat einen charismatischen, gelungenen Auftritt hingelegt
    • Sie habe das Potenzial, in der Bevölkerung ein Feuer zu entfachen
    • Dazu müsse sie aber noch ein paar Fehler abstellen
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