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Antifa veröffentlicht Nummern und Adressen von Neonazis
Die Antifa macht die Identitäten von Mitgliedern der Neonazigruppe "Junge Tat" publik. Der Extremismus-Experte Dirk Baier verurteilt die Aktion.
"Alle Nazis gehören aus der Deckung geholt!", mit diesen Worten lanciert die Antifaschistische Aktion Schweiz seit Ende März eine "antifaschistische Frühlingskampagne". Die Antifa hat bereits im Sommer sechs mutmaßliche Mitglieder der rechtsextremen Gruppierung "Junge Tat" geoutet, nun will sie wöchentlich nachlegen, bis das gesamte Netzwerk offengelegt ist.
"Die fast ausschließlich männlichen Mitglieder dieser Gruppe sind gewalttätige und teils verurteilte Rassisten, Sexisten und Antisemiten", schreibt die linke Gruppierung. Es gelte, der Rekrutierung neuer Mitglieder durch Gruppenwanderungen, inszenierte Aktionen und über Social Media einen Riegel vorzuschieben.
Betrieb von Gesinnung überrascht
Das erste mutmaßliche "Junge Tat"-Mitglied in der sogenannten "Frühlingskampagne" wurde am vergangenen Sonntag geoutet. Dabei wurden auch sämtliche persönlichen Informationen der Person (19) publik gemacht: darunter der volle Name, die Adresse, das Geburtsdatum, der Arbeitgeber sowie auch die Social-Media-Profile. Außerdem wurden mehrere Fotos des jungen Mannes veröffentlicht.
Auf Anfragen von 20 Minuten reagiert der Mann nicht. Bei seinem Arbeitgeber weiß man erst seit dieser Woche über seine Gesinnung Bescheid. "Wir wurden in einer E-Mail darauf aufmerksam gemacht", sagt der Geschäftsführer, der anonym bleiben möchte. Die Nachricht habe ihn überrascht, im Vorfeld sei nichts über seine Orientierung bekannt gewesen. "Auch im Arbeitsalltag haben wir nichts bemerkt." Der Betrieb habe jedoch "sofort" mit dem Mann das Gespräch gesucht und das Lehrlingsamt eingeschaltet, so der Geschäftsführer. "Er befindet sich nämlich noch in der Lehre." Weitere Schritte könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt gegeben werden, da die Gespräche mit dem Amt für Berufsbildung noch andauerten.
"Durch die Outings wird der Rechtsextremismus sichtbar"
"Es geht der Antifa in erster Linie darum, das ‹rechte Denken› in Form rechts denkender Personen aus dem Verborgenen an die Oberfläche zu holen", sagt Dirk Baier, Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Häufig werde in der Schweiz nämlich davon gesprochen, dass der Rechtsextremismus hier im Verborgenen agiere: «Durch solche Outings wird der Rechtsextremismus sichtbar. In zweiter Linie geht es auch um das Blossstellen der Personen und um das Abschrecken, sich in solchen Szenen zu engagieren.»
Bloßstellung kann Radikalisierung vorantreiben
Dass mit den Outings andere davon abgehalten werden, sich in rechten Szenen zu engagieren, sei gemäß Baier aber unwahrscheinlich: "Der Rechtsextremismus in der Schweiz ist in den letzten Jahren wieder aktiver und jünger geworden. Insbesondere die Abschreckung funktioniert also nicht." Die Konsequenzen bei den Geouteten dürften unterschiedlich ausfallen – je nachdem, wie diese bis zur Bekanntmachung ihre Gesinnung gelebt haben, sagt Baier: "Fühlt sich ein Betroffener angegriffen, kann das die Radikalisierung aber sogar noch vorantreiben, da man jetzt für alle erkennbar als Rechtsextremer gelabelt ist."
Grundsätzlich seien solche "Internet-Pranger" in jedem Fall zu verurteilen, sagt Baier: "Es ist ein widerrechtlicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte – egal, über welche Gruppen man spricht." Junge Menschen, die Sympathie für die "Junge Tat" haben oder sich sogar dort engagieren, bräuchten andere Maßnahmen, sagt Baier: "Es braucht verschiedene Formen der Deradikalisierungsarbeit, insbesondere eine enge Begleitung beispielsweise durch Sozialarbeitende."
Klare Persönlichkeitsverletzung
Rein rechtlich gesehen handle es sich bei der "Frühlingsaktion" der Antifa um eine Datenschutz- und Persönlichkeitsverletzung, sagt der Rechtsanwalt Simon Schnetzler. "Hier werden Personendaten wie etwa die Adresse, die Telefonnummer oder der Name des Arbeitgebers ohne Einwilligung der betroffenen Person publiziert." Das seien allesamt Daten, die normalerweise nur einem kleinen Personenkreis zugänglich gemacht würden.
Betroffene Personen hätten bei einer Verletzung zwar grundsätzlich die Möglichkeit, rechtlich gegen die Veröffentlichung vorzugehen, sagt Schnetzler. "Bei anonymen Gruppen dürfte es allerdings schwierig sein, die für die Veröffentlichungen zuständigen Personen zu behaften."