"Kickls Politik gefährlich"
"Andere Situation" – Kanzler-Knalleffekt zur FPÖ
In einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) sprach Bundeskanzler Karl Nehammer über das Kanzlerduell und eine Koalition mit der FPÖ.
Bundeskanzler Karl Nehammer musste im Zuge der EU-Wahl vor einer Woche mit seiner Partei herbe Verluste hinnehmen. Während die FPÖ das erste Mal in einer bundesweiten Wahl den ersten Platz erreichte, schaffte es die Volkspartei nur auf den zweiten Platz. Im Interview mit NZZ zog Nehammer nun ein Fazit und richtete seinen Blick positiv auf die Zukunft.
"Gestalten, nicht spalten"
Nehammer zum Vertrauensverlust: "Wir haben die Botschaft der Wähler verstanden. Offenbar haben die Menschen nach wie vor große Sorgen. Die Welt ist unsicher geworden." Dabei würden Populisten und Extreme zur Rechten und zur Linken diese Stimmung ausnützen und Angst schüren. Zudem betonte er, dass der Vorsprung der FPÖ nur gering ausgefallen sei.
Dennoch ist klar, dass die ÖVP die stärksten Verluste ihrer Geschichte einstecken musste. Gemeinsam mit dem Grünen Koalitionspartner kam man nur auf 35 Prozent – kein gutes Zeugnis für eine Regierung und das so kurz vor den Nationalratswahlen. Nehammer bekräftigte aber, dass Regierende es in der letzten Zeit nicht leicht hatten. Das sehe man quer durch Europa.
Trotzdem will er um den Wählerauftrag kämpfen, denn das sei seiner Meinung nach "alternativlos". "Die Radikalen haben keine Antworten und geben Scheinlösungen vor. Ich will gestalten, nicht spalten", betonte der Bundeskanzler.
"JA" zu ÖVP/FPÖ Koalition
Er erklärte erst kürzlich die Nationalratswahl zu einer "Kanzlerwahl", was bedeuten würde, dass die FPÖ einen Anspruch auf das Kanzleramt hätte, sofern sie gewinnen sollten. Große Sorgen scheint Nehammer dabei aber nicht zu haben, denn im Interview versicherte er: "Ich gehe davon aus, dass ich als Erster durchs Ziel gehe."
Dennoch braucht es für eine Regierung eine Koalition. Das könne sich der ÖVP-Obmann mit der FPÖ auch vorstellen. Eine Bedingung gibt es aber und die hat es in sich – kein Kickl. Dann wäre es nämlich eine "andere Situation". "Es gibt viele vernünftige Kräfte in der Partei, mit denen ich auch im Kontakt bin", so Nehammer gegenüber der NZZ.
Aus der ehemaligen Koalition mit der FPÖ und damit auch Herbert Kickl habe man gelernt. "Wir haben ihn falsch eingeschätzt. Als sein Nachfolger im Innenministerium habe ich gesehen, mit welcher Präzision er vorging, um dieses zu beschädigen." Nehammer nennt den FPÖ-Chef immer wieder ein "Sicherheitsrisiko". Im Interview beschrieb er dessen Politik zudem als "gefährlich".
Schweizer Friedenskonferenz
Derzeit befindet sich Nehammer auf der Schweizer Friedenskonferenz für die Ukraine. Dort beraten rund 100 Nationen und Organisationen über den Konflikt mit Russland. "Putin hat die Ukraine angegriffen. Er hat es deshalb in der Hand, den Krieg jederzeit zu stoppen", so Nehammer.
Die Konferenz werde aber nicht sofortige Lösungen bringen. Vielmehr sei sie ein Beginn, wie es zu weiteren Verhandlungen, dann auch mit Russland, kommen könnte. "Wir unterstützen die Konferenz auf dem Bürgenstock dennoch, weil sie einen Rahmen bilden kann für künftige Verhandlungen mit Moskau. Momentan ist die Zeit dafür nicht reif".
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Bundeskanzler Karl Nehammer äußerte sich in einem Interview mit der "Neue Zürcher Zeitung" über die EU-Wahl und eine mögliche Koalition mit der FPÖ
- Trotz der Verluste seiner Partei betonte Nehammer, dass er den Wählerauftrag kämpfen wolle und eine Koalition mit der FPÖ nicht ausschließe, solange Herbert Kickl nicht beteiligt sei
- Zudem äußerte er sich zur Situation in der Ukraine und betonte, dass Putin den Krieg jederzeit stoppen könne