MS-Patientin klagt an

"Alltag kostet Tausende Euro" – Welserin verzweifelt

Eine Frau (53) leidet an schwerer Multipler Sklerose, sitzt im Rollstuhl. Die Betroffene berichtet gegenüber "Heute" von ihrem beschwerlichen Alltag.

Johannes Rausch
"Alltag kostet Tausende Euro" – Welserin verzweifelt
Lydia Mayer-Deisting leidet an schwerer Multipler Sklerose, sitzt seit 5 Jahren im Rollstuhl.
privat

Achtung, Notstand! Viele Branchen suchen händeringend nach Personal. Wirklich dramatisch ist es vor allem im Bereich der Betreuung. Die Zahlen sind alarmierend: Bis 2040 wird sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Oberösterreich auf 107.000 Personen erhöhen.

Wie sieht der herausfordernde Alltag der Betroffenen aus? "Heute" sprach mit Lydia Mayer-Deisting (53). Die Welserin leidet unter Multipler Sklerose (MS), sitzt seit fünf Jahren im Rollstuhl.

Bereits in ihrer Jugend meldeten sich bei der gelernten Grafikerin und Künstlerin erste Symptome. Mittlerweile braucht sie intensive Betreuung. Ohne Hilfe kann sie nicht mehr eigenständig gehen. "Ich kann nicht einmal selbst ein Senfglas aufmachen", berichtet die 53-Jährige.

Multiple Sklerose

  • "Bereits in meiner Jugend hatte ich erste Symptome, später gab es den Verdacht auf MS. Im Jänner 2003 wurde dann die Diagnose gestellt, seit Herbst 2019 sitze ich im Rollstuhl. Davor konnte ich zumindest noch einen Rollator benutzen. Seit Mai geht es schleichend bergab. Bei dieser Krankheit gibt es zehn Säulen. Die zehnte Stufe bedeutet Tod, ich befinde mich auf 7,5."

Finanzielle Lage

  • "Bis vor kurzem hat mich mein Sohn neben seinem Vollzeit-Job zirka 170 Stunden im Monat gepflegt", sagt Mayer-Deisting gegenüber der Redaktion. "Jetzt bin ich auf einen täglichen Pflegedienst angewiesen." Derzeit ist sie in der Pflegestufe 4 eingestuft, bekommt 827 Euro monatliche Unterstützung. Davor war ihre finanzielle Lage noch schlimmer: Sie erhielt von der Volkshilfe eine Pflegekraft, die sie in der Stunde zwischen 11 und 50 Euro kostete. Nur vier Euro wurden ihr finanziert.
  • "Ich arbeite im künstlerischen Bereich, gebe auch Workshops. Mein Einkommen ist unter der Zuverdienstgrenze, ich bekomme außerdem eine Pension. Arbeiten ist für mich wichtig, ich möchte nicht nur den ganzen Tag daheim fernsehen. Ich möchte Teil der Gesellschaft sein."
  • "Viele wichtige Dinge für meinen Alltag kosten mich mehrere Tausend Euro", ist Mayer-Deisting verzweifelt: Für ihren Bettenlift musste sie selbst 2.200 Euro bezahlen. "Spezielle Haltestangen, Dusch-Rollstuhl, Polster, elektrischer Lattenrost, all das muss ich mir selbst finanzieren, weil es die Kassa nicht zahlt."
Viele wichtige Dinge für meinen Alltag kosten mich mehrere Tausend Euro.
Lydia Mayer-Deisting
MS-Patientin

Behördengang

  • "Bei Ansuchen an eine Behörde gibt es immer Probleme. Der erste Kommentar ist häufig: 'Wenn Sie noch arbeiten, kann es Ihnen ja nicht so schlecht gehen!'
Es fühlt sich an wie pure Hilflosigkeit.

Alltag im Rollstuhl

  • "Das Leben im Rollstuhl in diesem Land ist furchtbar. Ich fühle mich gedemütigt. Man ist überall ausgegrenzt. Als Betroffene fühle ich mich aufs Übelste diskriminiert. Wenn von barrierefrei die Rede ist, kann ich nur lachen. Barrierefrei bedeutet ja nicht rollstuhlgerecht. Viele Menschen vergessen auch, dass es oft nur bis zur Haustüre barrierefrei ist. Aber für mich ist es auch in der Wohnung problematisch."
  • "Ein Beispiel: Ich habe meinem Vermieter gesagt, dass ich eine Gegensprechanlage brauche, die für mich als Frau im Rollstuhl passt. Er hat einen Elektriker vorbeigeschickt, der mir gesagt, dass sie wegen der Gesetzeslage erst ab 1,70 Meter genormt ist. Es ist also nicht erlaubt, die Anlage auf meiner Höhe von 1,10 Meter zu installieren. Dabei wäre das auch für Kinder wichtig, die dann im Notfall die Rettung hereinlassen können. Aus Erfahrung weiß ich, dass ich leider kein Einzelfall bin."
  • "Problematisch ist, dass die Gesetzeslage nicht mit der Zeit gegangen ist."

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    Helmut Graf

    Auf den Punkt gebracht

    • Eine 53-jährige Frau, die an schwerer Multipler Sklerose leidet und im Rollstuhl sitzt, berichtet von ihrem beschwerlichen Alltag und den hohen Kosten für ihre Pflege
    • Die Zahl der Pflegebedürftigen in Oberösterreich wird bis 2040 auf 107.000 Personen steigen, was die ohnehin angespannte Personalsituation im Betreuungsbereich weiter verschärfen wird
    JR
    Akt.