Impfmüdes Österreich
Ärzte wenig erfreut – so soll Impfquote gehoben werden
In Österreich sind die Durchimpfungsraten im EU-Vergleich besonders miserable. Das soll sich mit einem zusätzlichen Impfangebot in Apotheken ändern.
Mit bereits 401 bestätigten Masernfällen in diesem Jahr ist Österreich auf dem besten Weg, Spitzenreiter in Europa zu werden. Ausschlaggebend sind hier gravierende Impflücken – bei Kindern genauso wie bei Erwachsenen. Diese sind jedoch nicht nur bei der Masern-Mumps-Röteln-Impfung besorgniserregend, sondern unter anderem auch bei jener gegen Diphtherie-Tetanus-Pertussis.
Schlusslicht Österreich
Hier rangieren wir laut WHO im EU-Ranking gar auf dem letzten Platz. Dasselbe gilt für die Hepatitis-B-Vollimmunisierung. Und ein Blick auf die saisonalen Impfungen, wie etwa gegen die Influenza ("echte Grippe") zeigt, auch hier liegt Österreich mit den Durchimpfungsraten unter dem europäischen Durchschnitt.
"Die Pandemie hat Impfmüdigkeit und Impfskepsis der österreichischen Bevölkerung weiter verstärkt, damit sind die Impflücken noch größer geworden. Es bedarf daher einer verstärkten persönlichen Aufklärung und neuer niederschwelliger Impfangebote", erklärte Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Apothekerkammer, am Dienstag in einer Pressekonferenz.
Kurz zusammengefasst, die Apothekerinnen und Apotheker wollen auch impfen dürfen. Aktuell liegt das Impfprivileg allerdings immer noch bei Ärztinnen und Ärzten.
Neuer Weg in anderen Ländern geebnet
Das erste Land in Europa wäre Österreich mit Impfungen in den Apotheken nicht. In 17 anderen Staaten auf dem Kontinent ist das bereits der Fall, darunter Deutschland, Frankreich und die Schweiz. Ein niederschwelliger Zugang, der Erfolg zeige, so Mursch-Edlmayr. Die Durchimpfungsraten würden in diesen Ländern steigen und auch in Ordinationen würde wieder mehr geimpft werden.
Unterstützt wird die Forderung der Apothekerkammer vom Seniorenrat, der Österreichische Gesundheitskasse und auch von der Patientenanwaltschaft. Für den Österreichischen Seniorenbund ist ein Impf-Angebot der Apothekerschaft ein zentraler und längst überfälliger Schritt, um die Durchimpfungsraten in Österreich zu steigern. "Natürlich ist und bleibt der Arzt erste Anlaufstelle fürs Impfen und nicht jede Impfung eignet sich dafür, aber gerade am Land spielen für ältere Menschen Entfernungen, Vertrauen und Erreichbarkeit eine große Rolle. Voraussetzungen, die Apotheken gut erfüllen können", sagte Ingrid Korosec, Präsidentin des Österreichischen Seniorenbundes.
Ärztekammer stellt sich quer
Aktuell dürfte es nur noch an der Ärztekammer scheitern, die dem Thema äußerst skeptisch gegenüber steht. "Impfen ist eine ärztliche Leistung und muss es auch in Zukunft bleiben", erklärte Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart in einer Mitteilung, die kurz vor der Pressekonferenz der Apothekerkammer veröffentlicht worden war. Nur Ärztinnen und Ärzte würden den Goldstandard der Impfleistung und die höchste Sicherheit für die Patientinnen und Patienten garantieren.
„Impfen ist eine ärztliche Leistung und muss es auch in Zukunft bleiben.“
Doch auch 2.500 Apothekerinnen und Apotheker hätten mittlerweile die Impffortbildung auf internationalem Niveau absolviert, schilderte Ursch-Edlmayr. Selbst das österreichische Impfgremium sei hier eingebunden gewesen.
Grundsätzlich wolle man sich auf gängige, erprobte Auffrischungsimpfungen wie Influenza und FSME bei Erwachsenen konzentrieren. Impfungen von Kindern seien nicht das Ziel. "Die Umsetzung muss selbstverständlich die Patientinnen- und Patientensicherheit in all ihren Aspekten als oberste Priorität haben", betonte auch die oberste Patientenvertreterin Michaela Wlattnig.
„Was hilft es, wenn der örtliche Zugang erleichtert wird und die finanziellen Hürden bleiben?“
Alle Impfungen für alle kostenlos
Bleiben dann eigentlich nur noch die Kosten, die meist von den Patientinnen und Patienten selbst beglichen werden müssen, für viele aber kaum oder gar nicht leistbar sind. Aus diesem Grund fordert Peter Kostelka, Präsident des Pensionistenverbandes Österreichs: "Alle im Impfplan Österreich empfohlenen Impfungen wie zum Beispiel jene gegen Gürtelrose oder Pneumokokken sollten in Zukunft kostenlos erfolgen. Denn was hilft es, wenn der örtliche Zugang erleichtert wird und die finanziellen Hürden bleiben? Denn wer sich diese Impfungen nicht leisten kann, ist der Erkrankung schutzlos ausgeliefert."