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21-Jähriger hört Folter beim Gamen – wird verurteilt

Während einer Xbox-Live-Party wurde ein Mann in Deutschland gefoltert und bedroht. Ein 21-Jähriger hörte zu, meldete das aber nicht der Polizei.

20 Minuten
Die Gamer standen via Xbox-Live-Party miteinander in Kontakt. Die Tat wurde live übertragen. Nachbarn hörten Lärm und informierten die Polizei.
Die Gamer standen via Xbox-Live-Party miteinander in Kontakt. Die Tat wurde live übertragen. Nachbarn hörten Lärm und informierten die Polizei.
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Kürzlich wurde ein Rheintaler (Schweiz) wegen Unterlassung der Nothilfe per Strafbefehl verurteilt. So weit, so unspektakulär. Außergewöhnlich ist die Distanz zum Tatort sowie die Ausführung des Delikts. In Not war Ende 2019 nämlich ein Vater in der Nähe von Nürnberg. Dieser wurde von Gamer-Kollegen seines damals 14-jährigen Sohnes mit dem Tode bedroht.

Die damals 23- und 21-jährigen Kumpels aus dem Raum Köln (D) hatten vom 14-Jährigen mitbekommen, dass dieser von seinem Vater geschlagen worden war. Sie wollten sich an ihm rächen und planten, ihm in der Wohnung in einem Schrank aufzulauern und dem Vater eine Abreibung zu verpassen, wenn dieser wieder zuschlägt. Zur Abreibung sollte auch Folter und gegebenenfalls eine Tötung gehören, wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth auf Anfrage sagt. Noch bevor die jungen Männer den Plan ausführen konnten, eskalierte die Situation: Der 14-Jährige bedrohte seinen Vater mit einem Messer und wurde darauf in einer Jugendeinrichtung fremdplatziert.

Mit Kabelbindern gefesselt

Die Jugendlichen aus dem Raum Köln setzten ihr Vorhaben Stunden später trotzdem um – sie waren schließlich schon auf dem Weg nach Bayern. Sie gaben sich vor Ort als Polizisten aus und gelangten so in die Wohnung und fesselten den Vater sowie die Schwester mit Kabelbindern. Dem Vater wurde darauf mit einem Hammerstiel gegen den Kopf geschlagen, ihm wurde die Luftzufuhr abgeschnitten, bis er kaum noch atmen konnte und mit einer Schreckschusspistole wurde drei Mal eine Scheinhinrichtung inszeniert, wie das Portal Nordbayern.de schreibt. Die ebenfalls gefesselte Schwester dachte derweil, dass ihr bald Schlimmes widerfahren werden.

Die ganze Szene wurde live in einem Xbox-Live Chat akustisch übertragen. Vermutlich hat auch der Sohn mitgehört sowie der verurteilte Rheintaler und mindestens zwei weitere Personen. Wie viele insgesamt mitgehört haben, ist laut Staatsanwaltschaft unklar.

Auto gestohlen und geschrottet

Durch den Lärm in der Wohnung wurden Nachbarn aufgeschreckt, welche die Polizei alarmierten. Die zwei Täter stahlen darauf das Auto des Vaters und machten sich aus dem Staub. Weit kamen sie jedoch nicht. Auf der Flucht vor der Polizei verlor der 23-Jährige die Kontrolle über den Ford Focus, dieser hob ab, durchbrach eine Wand und landete in einem Getränkelager.

Rund 1.200 Euro für Strafe und Gebühren

Der Rheintaler, der die Tat über den Chat mitverfolgte, wurde Mitte August von der St. Galler Staatsanwaltschaft wegen Unterlassung der Nothilfe verurteilt. Er habe es unterlassen, "dem in unmittelbarer Lebensgefahr schwebenden Mann zu helfen, obwohl er vor, aber insbesondere während der Tatausübung, via Xbox-Live-Party akustisch mit den Tätern verbunden war", heißt es im Strafbefehl. Es hätte ihm den Umständen nach zugemutet werden können, zu helfen oder die Polizei zu informieren.

Da der 21-Jährige dies unterlassen hatte, wurde er zu einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu rund 30 Euro sowie einer Strafe verurteilt. Insgesamt muss er mit Gebühren und Auslagen rund 1.200 Euro bezahlen. In die Strafe fließt zudem ein, dass der Rheintaler ein Video, in dem harte Pornografie zu sehen ist, per WhatsApp weitergeleitet hatte. Zudem werden die beschlagnahmten XBox-Konsolen vernichtet. Gegen den Strafbefehl kann innerhalb von zehn Tagen Einspruch erhoben werden.

Der Haupttäter wurde in Deutschland zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Sein Mittäter erhielt eine bedingte Strafe, da er unter Autismus leidet. Der Sohn erhielt ebenfalls eine bedingte Jugendstrafe. Der gefolterte Vater erlitt bei der Tat eine Hirnblutung und war danach wochenlang im Spital, die Schwester litt während der Tat an Todesangst. Vater und Tochter sind umgezogen. In der Tatwohnung hielten sie es nicht mehr aus.

Unterlassung der Nothilfe
Florian Schneider, stellvertretender Leiter Kommunikation bei der Kantonspolizei St. Gallen, klärt über die Unterlassung von Nothilfe im Allgemeinen (nicht zum konkreten Fall oben) in der Schweiz auf: "Es ist von Fall zu Fall unterschiedlich und manchmal etwas kompliziert. Aber grundsätzlich geht es im weitesten Sinn um Zivilcourage", so Schneider. "Es kann ja schon sein, dass man keine Ahnung hat, was man in einer Situation tun soll, aber das Mindeste ist, das Telefon in die Hand nehmen und die 117 anzurufen", so Schneider. Es sei wichtig, dass die Polizei beginnen kann, etwas zu unternehmen und bestmöglich zu helfen. "Es verlangt niemand, dass sich Leute selbst in Lebensgefahr bringen. Aber dann, wenn sie sich in Sicherheit befinden, sollen sie kurz der Polizei oder einer anderen Notrufnummer Bescheid geben", sagt Schneider. Es gibt Fälle, bei denen es klar ist, dass jemand die Nothilfe unterlässt. Bei anderen Fällen jedoch könne man keine scharfen Grenzen ziehen, ab wann jemand die Unterlassung der Nothilfe begeht.

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