Verbotsgesetz-neu
20 Jahre Haft – Nazi-Strafen werden massiv verschärft
Am Donnerstag wurde im Justizausschuss die endgültige Version der Reform des Verbotsgesetzes auf den Weg gebracht. "Heute" hat den Überblick.
Nicht ohne Grund hat Österreich ein Verbotsgesetz, das zu den strengsten der Welt zählt. Schon im Juni 1945 trat es in Kraft, 1947 folgten jene Anpassungen, die in weiten Teilen bis heute Geltung haben – bzw. hatten. Denn am Donnerstag wurde im Justizausschuss die erste Änderung seit 31 Jahren beschlossen, die weitreichende Folgen nach sich zieht.
Bereits vor mehreren Jahren wurde die Reform mit einer Arbeitsgruppe angestoßen, um damit auf die geänderten gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen zu reagieren. Denn seit 2015 zeichnete sich ein deutlicher Anstieg der Fälle von Holocaust-Leugnung und -Verharmlosung ab.
In den Folgejahren schwankte die Zahl der jährlichen Verfahren zwischen 35 und 73. 2021 waren es plötzlich satte 225 Verfahren, 2022 ebenfalls 235. Zurückzuführen ist das laut den Erläuterungen zum Gesetzestext auf die Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen. Auch durch die aktuellen Änderungen wird es zu mehr Ermittlungsverfahren kommen.
Zweit Tatbestände im Fokus
Genug zum Legistischen, was bedeutet das in der Praxis? Im Fokus stehen vereinfacht gesagt die beiden Delikte der Wiederbetätigung und Holocaustleugnung bzw. -relativierung, auf die über 90 Prozent der Fälle zurückgehen. Hier gibt es eine deutliche Verschärfung der Strafdrohungen. Bei "besonderer Gefährlichkeit" sind nunmehr Freiheitsstrafen von zehn bis zwanzig Jahren vorgesehen. Bei der Holocaustverharmlosung fällt das "gröblich" weg, auch das bloße Verharmlosen wird somit strafbar.
Bei beiden Tatbeständen wird ein niederschwelliges Grunddelikt eine Strafdrohung von sechs Monaten bis fünf Jahre vorsehen, um so bei reinen Äußerungsdelikten die Möglichkeit zur Diversion zu ermöglichen. Darüber hinaus wird es zwei Qualifikationen geben, die einerseits zwischen einem und zehn Jahren und bei besonderer Gefährlichkeit eben 10 bis 20 Jahre vorsehen. Apropos zehn: So viele Personen müssen zuhören bzw. mitlesen, damit eine Äußerung strafbar ist. Ein früherer Entwurf sah nur drei Personen vor, bisher war die Grenze 30.
Bei den übrigen Tatbeständen (§§ 3a, 3b, 3d, 3e, 3f) gibt es eine Aufteilung in Grunddelikt und Qualifikation. Höhere Strafen gibt es dann beispielsweise bei "besonderer Gefährlichkeit" einer "Unterstützung und Teilnahme an einer nationalsozialistischen Vereinigung". Neu außerdem: Wird ein Beamter nach dem Verbotsgesetz verurteilt, führt das automatisch zum Amtsverlust.
Automatischer Amtsverlust
Eine kleine Revolution ist die Ausweitung der österreichischen Strafrechtsgewalt auf einzelne im Ausland gesetzte Delikte. Bisher waren gewisse Taten nicht strafbar, wenn sie von einem Österreicher im Internet aber aus dem Ausland begangen wurden. Weiterer Punkt: "Sammlern" können NS-Devotionalien auch ohne konkreten Zusammenhang zu einer mit Strafe bedrohten Handlung entzogen werden.
Um Lücken zu vermeiden können für andere als in den im Verbotsgesetz angeführten Straftatbestimmungen der nationalsozialistischen Betätigung Verwaltungsstrafen von bis zu 10.000 Euro (bzw. 20.000 Euro oder sechs Wochen Freiheitsstrafe im Wiederholungsfall) verhängt werden. Auch im Symbole- und Abzeichengesetz wurden die Strafen auf diese Beträge erhöht. Ersteres umfasst Organisationen wie den Islamischen Staat (IS), die Muslimbrüderschaft, die Grauen Wölfe, die PKK, die Hamas, die Hisbollah, die Ustascha, die Identitären (IBÖ) und die Gruppierung "Die Österreicher" (DO5).
SPÖ lobt, FPÖ tobt
Komplett fix ist die Novelle noch nicht. Weil es sich um ein Bundesverfassungsgesetz handelt, muss es im Nationalrat mit zwei Dritteln der Stimmen beschlossen werden. Damit kann angesichts der positiven Reaktionen der SPÖ (und der Zustimmung des NEOS) jedoch gerechnet werden. "Die Bekämpfung von Neonazismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus ist aktuell eine besondere Herausforderung. Die Novelle bringt dafür die notwendige Modernisierung, Verschärfung und Anpassung an aktuelle Entwicklungen", lobt Sabine Schatz, SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur.
Die FPÖ hingegen stimmte im Justizausschuss dagegen. Deren Justizsprecher Harald Stefan distanziert sich einleitend von Rechtsextremismus und findet, dass Judenhass aktuell nicht aus dem nationalsozialistischen Lager, sondern "im Zuge der jahrelangen und meist illegalen Masseneinwanderung aus dem islamischen Kulturraum importiert" worden sei. Im neuen Verbotsgesetz sieht er eine "bedenkliche Rechtslage". Beim automatischen Amtsverlust ortet er eine Ungerechtigkeit gegenüber anderen Delikten, den Entzug von NS-Devotionalien ohne Straftat findet er "unzulässig", "absurd" und "grotesk".
Das Mauthausen Komitee Österreich bewertet die nun beschlossene Fassung großteils positiv, hat aber auch einige Kritikpunkte. "Dass Holocaust-Leugnung nach Verbotsgesetz erst strafbar sein soll, wenn sie vor mindestens zehn Personen geschieht, ist ein falsches Signal. Im Sinne eines konsequenten Vorgehens gegen Antisemitismus hat die Expertenkommission als Grenze drei Personen empfohlen. Diese Grenze war dann auch im ersten Entwurf zur Novelle enthalten und hätte beibehalten werden sollen", so Vorsitzender Willi Mernyi. Darüber hinaus drohe das Instrument der Erwachsenendiversion zum Schlupfloch zu werden.