"Das vergesse ich nie"
2 Tote bei Crash – Mann erlebt bange Momente am Telefon
200.000 Notrufe pro Jahr – ein Blick in eine Tiroler Leitstelle zeigt, unter welch schwierigen Bedingungen hier Notrufe angenommen werden.
24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr – 2024 sogar 366 Tage – sind Österreichs Notruf-Leitstellen besetzt. Alleine in der Leitstelle in Innsbruck gehen pro Jahr rund 200.000 solcher Notrufe ein. Da liegt es auf der Hand, dass da auch für das Personal am Hörer schwierige Einsätze lauern.
In einer Reportage über die Leitstelle in Tirol widmete sich das ORF-Radio Ö1 dieser Thematik. Hier wird meistens in Zehner-Teams gearbeitet. Neben alltäglichen Unfällen werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier aber auch mit Seiten des Lebens und Sterbens konfrontiert, die andere Menschen so weit wegschieben, wie es nur geht.
"Jetzt geht es ums Ganze"
Ein erfahrener Disponent schildert einen typischen Notruf, wenn es auf der anderen Seite des Telefons um Leben und Tod geht. "Am Anfang ist meistens viel Geschrei und je schwieriger die Verletzungen sind und je ruhiger die Melder werden, desto mehr weißt du 'Okay, jetzt geht es ums Ganze'", so Thomas G. Die Mitarbeiter seien freilich darauf trainiert, auf viele solcher Situationen vorbereitet zu sein.
Die wichtigsten Notrufnummern Österreichs
Feuerwehr: 122
Polizei: 133
Rettung: 144
Euro-Notruf: 112
Ärztefunkdienst: 141 F
Notrufnummer für Gasgebrechen: 128
Bergrettung: 140
Vergiftungszentrale: 01/ 406 43 43
Telefonseelsorge: 142
Allerdings liegt wohl klar auf der Hand, dass man nicht auf jedes erdenkliche Szenario vorbereitet sein kann. Auf eine schreiende Mama, die ins Telefon hineinschreit, dass ihr Kind nicht mehr atmet, könne man sich nicht immer vorbereiten. Dann schildert der Leitstellenmitarbeiter Erfahrungen aus einem seiner schwierigsten Fälle. Dabei geht es um einen schweren Verkehrsunfall. Bei dem Crash auf einer Alpenstraße seien zwei junge Menschen ums Leben gekommen. "Es war nebelig, die Hubschrauber haben nicht direkt hinfliegen können, die Bergrettung habe aufsteigen müssen". Er sei – das ist nicht unüblich – so lange am Telefon geblieben, bis der erste Notarzt am Einsatzort eingetroffen ist. "Das wird mir sicher lange in Erinnerung bleiben", ist sich G. sicher.
Am Telefon bleiben, Hilfe zu organisieren, lebensrettende Tipps zu geben – und auf der anderen Seite auch erleben zu müssen, wie Menschen nicht mehr geholfen werden kann, das geht mit der Zeit an die Substanz. Deswegen gibt es für Leitstellen-Mitarbeiter die Möglichkeit der kostenlosen psychologischen Betreuung und Supervision.
Leitstellen-Chef Bernd Noggler führt im Gespräch mit Ö1 aus, dass "jeden Tag" irgendetwas Gravierendes bei den Notrufen dabei sei. Jeder Mitarbeiter reagiere anders. Kommt so etwas vor, werde gezielt das Gespräch gesucht. Das könne fünf Minuten nach dem Telefonat, eine Stunde oder erst einen Tag später passieren. Ziel sei es, dass die Betroffenen die Vorkommnisse nicht mit nach Hause zur Familie und in den Schlaf nehmen müssen.
Es gibt natürlich auch schöne Einsätze
Es komme laut dem Geschäftsführer der Leitstelle durchaus vor, dass Mitarbeitern die Tätigkeit in der Leitstelle grundsätzlich Spaß mache, diese die Tätigkeit auf Grund der hohen psychischen Belastung aber dennoch aufgeben müssen.
Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich auch Einsätze, die positiv in Erinnerung bleiben. G. spricht über den "sicherlich schönsten Einsatz am Telefon". Hierbei habe er bei einer Geburt geholfen. "Der Vater war total aufgelöst, komplett überfordert mit der Situation", es sei aber gelungen, den Einsatz gut zu managen. "Dann hört man das Kind schreien und der Vater sagt ganz erleichtert 'Jetzt ist alles gut' – das war so ein schöner Moment. Ein Moment, der wohl zum Weitermachen animiert. Solche Einsätze braucht es eben auch, um in diesem Job weitermachen zu können.
Übrigens: Rund jeder fünfte Notruf sei ein sogenannter "Hosentaschenanruf", also ein unbeabsichtigtes Wählen des Notrufs. Dieses Problem sei auf Druck der Leitstellen in ganz Österreich von den Handybetreibern gelöst worden, die falschen Notrufe gingen deutlich zurück, heißt es.